UN-Tribunal in Den Haag: Karadzic-Prozess verzögert sich

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Karadzic weigert sich, zur aktualisierten Angklageschrift Stellung zu nehmen. Darin werden ihm 27 Verbrechen gegen die Menschlichkeit und zwei Fälle von Völkermord vorgeworfen.

Drei Monate nach der Festnahme des wegen Völkermordes angeklagten ehemaligen bosnische Serbenführer verzögert sich der Prozess gegen Radovan Karadzic weiter. "Eigentlich sind wir noch nirgends hingekommen", sagte der Untersuchungsrichter Iain Bonomy nach einer Anhörung am Dienstag, die der Vorbereitung des Prozesses dienen sollte. Er gab eine Vertagung bis zum 20. Jänner 2009 bekannt.

Karadzic weigerte sich, zu der aktualisierten Anklageschrift Stellung zu nehmen. Bei seinem rund zwanzigminütigen Auftritt beschwerte er sich, dass er die serbokroatische Übersetzung des Dokuments erst am Montag erhalten habe. Deshalb habe er keine Zeit gehabt, um sich auf den Gerichtstermin vorzubereiten. Zudem stellte sich heraus, dass Teile der Anklageschrift weiterhin nur auf Englisch vorliegen.

Anklage: Völkermord in zwei Fällen

Verfahren vor dem UN-Tribunal

In der überarbeiteten Anklage wird Karadzic Völkermord in zwei verschiedenen Fällen vorgeworfen, die vorher zusammengefasst waren. Karadzic wird das Massaker an über 8000 bosnischen Muslimen 1995 in Srebrenica zur Last gelegt. Außerdem muss er sich wegen der Belagerung von Sarajevo verantworten, bei der 10.000 Menschen starben. Die Staatsanwaltschaft hat die Zahl der einzelnen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die dem ehemaligen Serbenführer zur Last gelegt werden, von 41 auf 27 reduziert. Damit soll die Führung des Verfahrens effektiver werden.
Sofern das Gericht die Anklageschrift annimmt, müssen die darin aufgeführten Fakten im Prozess gegen Radovan Karadzic nur dann bewiesen werden, wenn der Angeklagte diese zuvor wiederlegt. Diese Möglichkeit der Anerkennung bereits etablierter Sachverhalte dient vor allem der Verkürzung des Verfahrens, sowie dessen Konzentration auf die wesentlichsten und entscheidendsten Punkte.

Richter Bonomy kritisiert den schleppenden Verlauf der Vorbereitung des Hauptverfahrens als "enttäuschend". Nicht zuletzt macht er dafür auch den Angeklagten selbst verantwortlich.

Karadzic will sich weiter selbst verteidigen

Trotz wiederholter Warnungen vor Komplikationen will Karadzic auf einen Rechtsanwalt verzichten. Er will sich - wie der ehemalige jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic und der serbische Ultranationalist Vojislav Seselj - vor dem UN-Tribunal selbst verteidigen. Er habe einen Rechtsberater bestellt, und hoffe, sein Team bald gebildet zu haben, sagte er in der Anhörung. Ob sein Anliegen vor dem Tribunal auch akzeptiert wird, ist vorerst noch unklar. Im Unterschied zu Milosevic und Seselj ist Karadzic nämlich selbst kein Jurist, sondern Psychologe.

Warum die Anklageschrift, die in Englisch bereits seit dem 22. September vorliegt, in Serbokroatisch erst einen Tag vor der neuen Anhörung fertiggestellt wurde, ist zunächst nicht bekannt. Die Staatsanwaltschaft will Karadzic jedenfalls bis Ende der Woche die vollständigen Unterlagen übergeben. Ab dann hat er zwei Wochen Zeit, um sich zur Anklage zu äußern.

Der ehemalige bosnisch-serbische Präsident Radovan Karadzic war am 21. Juli in Belgrad verhaftet und an das an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgeliefert worden. Davor hatte er jahrelang unerkannt und unter falschem Namen als Heilpraktiker gearbeitet.

(Ag./Red.)

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