Ostukraine: Ein Kilogramm Kartoffeln als Dank fürs Wählen

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Die Wahlen in den Separatisten-Gebieten lockten vor allem Pensionisten aus dem Haus. Sachartschenko dürfte an der Spitze bleiben.

Donezk/Wien. Vor der Schule Nummer eins auf dem Puschkin-Boulevard im Zentrum von Donezk stapeln sich Säcke mit Krautköpfen, Karotten, Kartoffeln und Zwiebeln. Davor wartet eine Menschentraube, vorwiegend ältere Bürger, die trotz des Sonnenscheins bereits Wintermäntel und Wollhauben tragen. Das Gemüse wird zu einem symbolischen Preis abgegeben: Ein Sack Kartoffeln kostet eine Griwnja, umgerechnet sechs Euro-Cent. Auch der Ort des Verkaufsstandes ist höchst symbolträchtig: Denn die Bürger können das günstige Gemüse ergattern, nachdem sie in der zum Wahllokal umfunktionierten Schule über die künftige Führung der „Donezker Volksrepublik“ abgestimmt haben – vitaminreiche ostukrainische Wahlzuckerln also.

Am Sonntag fanden in den selbst erklärten Volksrepubliken Donezk und Luhansk statt. In Berichten lokaler Medien waren teilweise lange Schlangen vor den Wahllokalen zu sehen. Freilich hatte nur ein Bruchteil der Wahllokale offen, die bei früheren Abstimmungen genutzt worden waren. Dennoch gab es im Laufe des Abends "Exit Polls", die dem derzeitigen Premier Aleksandar Sachartschenko schon kurz nach 19 Uhr 81,37 Prozent der Wählerstimmen bescheinigten - seine beiden Gegenkandidaten blieben demnach im einstelligen Bereich.

Bei der Wahl des "Sowjets" - des Parlaments - stimmten demnach 65 Prozent für Sachartschenkos Partei "Donezker Republik", und knapp 35 Prozent für die zweite Partei "Freier Donbass". Die Auszählung der Stimmzettel ist noch nicht abgeschlossen.

Moskau erkennt Wahlen an

Die Wahlen stellten den ersten Versuch der Legalisierung der Separatisten-Führung dar. Bei einem Referendum Mitte Mai hatten sich beide Regionen unabhängig erklärt, die Kämpfe zwischen Militär und den von Russland unterstützten Separatisten sind trotz eines Waffenstillstands niemals abgeflaut. Seit April kamen etwa 4000 Menschen in dem Konflikt um. International wird die Wahl nicht anerkannt, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), durch deren Vermittlung offiziell ein Friedensprozess zustande kam, schickte keine Wahlbeobachter (siehe Artikel unten). Lediglich Russland kündigte an, das Wahlergebnis anerkennen zu wollen.

Es gilt als sicher, dass der bisherige Rebellen-Ministerpräsident, Aleksandar Sachartschenko, als Sieger aus der Abstimmung hervorgehen wird. „Für Gerechtigkeit, Glück, Frieden und Wohlstand“, rief Sachartschenko bei der Stimmabgabe. Seine beiden Gegenkandidaten sind bisher kaum in der Öffentlichkeit aufgetreten.

In Donezk gaben die prorussischen Kräfte die Zahl der Wahlberechtigten mit 3,2 Millionen Menschen an. Die exakte Zahl der Stimmberechtigten war unklar, weil in den vergangenen Monaten Hunderttausende aus der Krisenregion geflüchtet sind. Die Stimmabgabe war schon ab einem Alter von 16 und bis zum späten Abend möglich. Russland ließ in einigen Flüchtlingslagern die Abstimmung zu.

Die ukrainische Armee meldete „intensive“ Truppenbewegungen aus Russland über die Grenze in die von Separatisten kontrollierten ostukrainischen Regionen. Militärausrüstung und Mannschaften würden über die russisch-ukrainische Grenze in das Separatisten-Gebiet verlegt, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Andrij Lyssenko, am Sonntag bei einer Pressekonferenz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2014)

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