Nordkorea: Die Paranoia des Kim-Regimes

North Koreans bow to bronze statues of North Korea´s late founder Kim Il Sung and late leader Kim Jong Il at Mansudae in Pyongyang
North Koreans bow to bronze statues of North Korea´s late founder Kim Il Sung and late leader Kim Jong Il at Mansudae in Pyongyang(c) REUTERS (KYODO)
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Die New-York-Kino-Premiere der Nordkorea-Trash-Komödie muss wegen Terrordrohungen abgesagt werden. Steckt Pjöngjang dahinter? Putin jedenfalls lädt Kim nach Moskau ein.

Pjöngjang/New York. Drei Minuten lang mussten am Mittwoch alle Nordkoreaner schweigen, während die Sirenen heulten. Im ganzen Land verbeugten sich dunkel gekleidete Männer und Frauen vor riesigen vergoldeten Statuen des verstorbenen Diktators Kim-jong Il., dem Vater des aktuellen Machthabers Kim Yong-un.

Mit dieser bis ins kleinste Detail synchronisierten Zeremonie endete offiziell die Trauerzeit für den 2011 verstorbenen Kim-jong Il. Nachdem Radio und Fernsehen den ganzen Tag Berichte über dessen „große Errungenschaften“ gesendet hatten, machte die Führung des stalinistischen Regimes allen Nordkoreanern unmissverständlich klar, dass der Kim-Personenkult fortgesetzt wird: „Die Ära des großen Führers Kim Yong-un hat jetzt endgültig begonnen“, hieß es.

Zu diesem neuen Lebensabschnitt erhielt der Diktator ein ganz besonderes Geschenk aus Moskau: Kim wurde zu seiner ersten offiziellen Auslandsreise seit Beginn seiner Amtszeit 2011 eingeladen. Der russische Staatschef, Wladimir Putin, will den Diktator, der von der UNO persönlich für grausame Verbrechen gegen sein Volk verantwortlich gemacht wird, in Moskau empfangen. Laut der japanischen Zeitung „Asahi Shimbun“ wird Kim dort im Mai an den Feiern zum Sieg über Nazi-Deutschland teilnehmen.

Erster Staatsbesuch für Kim

Schon seit einiger Zeit umgarnt der Kreml Nordkorea: Putin hat jüngst Kims Abgesandten empfangen und sich dabei für einen Ausbau der Beziehungen zur Stärkung der regionalen Sicherheit ausgesprochen. Moskau will sich durch diese neue Freundschaft demonstrativ von den USA und der EU distanzieren, die in der Ukraine-Krise Sanktionen gegen Russland verhängt haben (das unter UN-Embargo stehende Nordkorea hat die Krim-Annexion Russlands anerkannt). Doch nicht nur Sanktionen und der Hass auf den Westen schweißen zusammen: Experten sehen in der Annäherung eine längerfristig angelegte Strategie. Russland möchte die Abhängigkeit vom Westen reduzieren und sucht neue Märkte für seine Rohstoffe in Asien: Mit China, dem wichtigsten Verbündeten Nordkoreas, unterzeichnete der Kreml lukrative Verträge. Peking und Moskau treten derzeit demonstrativ auf dem internationalen Parkett als enge Partner auf.

„Erinnert euch an den 11. 9.“

Dass nun auch Nordkorea bald mit von der Partie sein dürfte, wird Kim freuen. Seinen Verfolgungswahn dürfte die neue Freundschaft aber nicht wirklich gemildert haben. Dass der Westen ihn zerstören will, sieht Kim dank eines Hollywood-Films offenbar endgültig als bewiesen an: In der Trash-Komödie „The Interview“, die ab Weihnachten in US-Kinos gezeigt wird, spielen James Franco und Seth Rogen zwei US-Journalisten, die ein Exklusivinterview mit Kim Jong-un bekommen – und ihn im Auftrag der CIA ermorden sollen. Was ihnen auch auf spektakuläre Weise gelingt.

Seit Monaten protestiert Pjöngjang gegen den Film. Einen Schritt weiter geht jetzt eine obskure Internet-Piraten-Gruppe: Am Dienstag bedrohten diese Guardians of Peace via E-Mail alle potenziellen „The Interview“-Kinobesucher: „Diejenigen, die sich über den Terror lustig machen, sind einem tragischen Schicksal geweiht“, heißt es in der in schlechtem Englisch formulierten Botschaft. „Erinnert euch an den 11. September 2001.“

Das Filmstudio Sony Pictures nimmt die Drohung ernst: Der Kinostart wurde abgesagt. Außerdem habe man sich gegen jede andere Form der Veröffentlichung des Films entschieden, sei es als Video auf privaten Kabelkanälen oder auf DVD, hieß es am Donnerstag.

Die Guardians of Peace haben bereits Ende November auf sich aufmerksam gemacht: Damals haben sie die Computer des Filmproduzenten Sony gehackt, über Tage war der IT-Betrieb von Sony Pictures lahmgelegt. Die Hacker kopierten tausende interne Dokumente und veröffentlichten sie im Internet. Private E-Mails waren darunter, in denen etwa ein Starproduzent Schauspielerin Angelina Jolie eine „untalentierte, verwöhnte Göre“ nannte, auch ein Drehbuch zum neuen James-Bond-Film „Spectre“ wurde kopiert und war teilweise im Netz verfügbar. Gehälter von Schauspielern und Adressen von Mitarbeitern wurden ins Netz gestellt.

Immer wieder wurde von Experten der Verdacht geäußert, dass Pjöngjang hinter den Cyber-Piraten steckt. Das Regime dementiert das freilich vehement. Gibt aber zu, „über die Entwicklung nicht unglücklich“ zu sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2014)

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