Mehr als 140 Tote: IS-Terrorwelle in Jemens Hauptstadt

An injured girl reacts as she is carried by a man out of a mosque which was attacked by a suicide bomber in Sanaa
An injured girl reacts as she is carried by a man out of a mosque which was attacked by a suicide bomber in SanaaREUTERS
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Die sunnitische Jihadisten-Miliz richtet ein Blutbad in zwei von schiitischen Huthis besuchten Moscheen in Sanaa an. Etwa 130 Menschen sterben. Das Armenhaus der arabischen Halbinsel droht endgültig im Bürgerkrieg zu versinken.

Sanaa. Nach dem schlimmsten Anschlag seit Jahren machte sich in der jemenitischen Hauptstadt Verzweiflung breit. Auch in den Krankenhäusern. Wegen der hohen Opferzahlen gingen die Blutkonserven in Sanaa zur Neige. In einem dramatischen Appell wurden die Bewohner aufgerufen, Blut zu spenden, während die Zahl der Toten beständig in die Höhen schnellte. In ersten Meldungen war von mindestens 30 Opfern die Rede, die Selbstmordattentäter bei dem Angriff auf zwei Moscheen in den Tod gerissen haben. Am frühen Freitagabend war bereits von etwa 130 Toten die Rede. 350 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Daher war zu befürchten, dass die Opferzahlen noch steigen. Die beiden Gotteshäuser werden vor allem von Anhängern der schiitischen Huthi-Rebellen besucht.

Zu dem Terrorangriff bekannte sich eine Filiale des Islamischen Staats (IS). Eine Bestätigung dafür gab es zunächst nicht. Es wäre das erste Mal, dass der IS im Jemen zuschlägt. Die Jihadisten mit ihrem Kerngebiet in Syrien und dem Irak hatten ihren Terror zuletzt nach Libyen und Tunesien getragen. Nun also möglicherweise ins arabische Armenhaus, das bisher vor allem als Drehscheibe und Rückzugsgebiet für „al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel“ (Aqap) fungiert.

Aqap gilt als der gefährlichster Ableger des von Osama bin Laden gegründeten Terrornetzwerks und steckte zuletzt auch hinter dem Angriff auf das Satiremagazin Charlie Hebdo in Paris.
Die Selbstmordattentäter in der Badr-Moschee im Süden der Hauptstadt Sanaa gingen perfide vor: Zunächst sprengte sich einer von ihnen während des Freitagsgebets in dem Gotteshaus in die Luft. Eine zweite Bombe explodierte, als die Menschen aus dem Gebäude flohen. Ein Terrorist hatte am Ausgang gewartet. Nahezu zeitgleich sprengten sich auch zwei Attentäter in der Al-Haschahusch-Moschee im Norden der Hauptstadt in die Luft.

„Bis sie ausgerottet sind“

Die Anschläge seien nur der „Beginn einer Flut“, heißt es in einer von IS-Anhängern auf Twitter verbreiteten Nachricht. In Richtung der schiitschen Huthi-Rebellen wird erklärt: „Lasst diese polytheistischen Huthis wissen, dass die Kämpfer des Islamischen Staats nicht ruhen werden, bis sie ausgerottet sind.“ Der verworrene Konflikt im Jemen trägt auch religiöse Züge: Die radikalen Sunniten halten die Huthi-Rebellen, die der im Nordjemen dominierenden schiitschen Minderheit der Zaiditen angehören, für Ketzer. Zugleich sollen die Huthis vom ebenfalls schiitischen Regime in Teheran unterstützt werden.

Die Huthi-Rebellen waren zuletzt in dem bürgerkriegsähnlichen Konflikt mit den Einheiten von Präsident Abdel-Rabbo Mansur Hadi, sunnitische Stämmen und al-Qaida im Aufwind. Mittlerweile sollen sie mindestens neun von 21 Provinzen kontrollieren. Ihren größten Coup landeten sie, als sie im vergangenen September mit 30.000 Kämpfern die Hauptstadt eroberten und schließlich im Jänner den Präsidenten absetzten.

Im Februar konnte Hadi jedoch nach Aden fliehen. Seither versucht er von der südlichen Küstenstadt aus zu regieren. Dort hat er es aber mit Jemens Ex-Präsident Ali Abdullah Saleh zu tun. Saleh war nach mehr als 30 Jahren an der Macht Anfang 2012 zum Rücktritt gezwungen worden. Präsident Hadi behauptete bereits am Donnerstag, dass Saleh-loyale Militärs seinen Palast in Aden angegriffen und einen Putschversuch gewagt haben. Am Freitag überflogen Augenzeuge zufolge erneut Saleh-treue Militärs mit Kampfjets die Stadt Aden. Auf diese sei das Feuer eröffnet worden.

Wegen der Unruhen haben mehrere Länder, darunter Deutschland und die USA, ihre Botschaften im Jemen geschlossen. Österreich ist nur durch ein Honorarkonsulat vertreten.

(red./ag.)

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