Malediven: Jihadisten im Urlaubsparadies

Touristen spazieren einen Strand auf einer der maledivischen Urlaubsinseln entlang.
Touristen spazieren einen Strand auf einer der maledivischen Urlaubsinseln entlang.(c) REUTERS (Dinuka Liyanawatte / Reuters)
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Die Regierung lässt muslimische Hardliner gewähren, solange der Tourismus nicht gefährdet ist. Dutzende Bürger kämpfen für den Islamischen Staat.

Es sind Bilder von weißem Sand, türkisblauem Wasser und schattenspendenen Palmen, die jährlich Hunderttausende Touristen auf die Malediven locken. Nahezu paradiesisch muten die Luxusressorts auf den vielen einsamen Inseln des Archipels im Indischen Ozean an.

Doch abseits der Touristenpfade bietet der Inselstaat ein anderes Bild: In der Hauptstadt Male, einem pulsierenden Betondschungel aus dichten Gässchen und pastellfarben bemalten Hochhäusern, werden die gesellschaftlichen Veränderungen deutlich: Immer öfter sind schwarz verhüllte Frauen und Männer mit langen Rauschebärten auf den Straßen zu sehen. „Touristen sind sich nicht bewusst, dass einen Kilometer entfernt Auspeitschungen stattfinden, während sie in ihrem Ressort in der Sonne baden“ , sagte Menschenrechtsanwältin Amal Clooney, Frau von Schauspieler George, jüngst.

Jahrhunderte schon praktizieren die Menschen im Land der 1196 Inseln einen moderaten Islam – 99 Prozent der Bevölkerung sind Sunniten – seit ein paar Jahren aber gewinnen Konservative rasant an Unterstützung, zunächst auf den kleinen abgelegenen Inseln und später auch in größerern Städten. Viele Malediver schließen sich dem internationalen Jihad an, die Angst vor radikalisierten Rückkehrern ist groß: So sollen mehr als 200 Malediver nach Syrien und in den Irak gezogen sein, um an der Seite des Islamischen Staats zu kämpfen – gerechnet auf die rund 345.000 Einwohner angeblich der höchste pro Kopf Anteil an IS-Kämpfern weltweit. Viele weitere unterstützen die al-Nusra Front, den syrischen al-Qaida-Ableger, oder wurden von pakistanischen Terrororganisationen für den Kampf gegen die Regierung in Islamabad rekrutiert.

Auch Rufe nach einer strikten Umsetzung der Scharia, des islamischen Rechts, in allen Lebensbereichen werden immer lauter. Vergangenen Oktober wurde eine fünffache Mutter erstmals in der Geschichte des Staates wegen Ehebruchs zum Tod durch Steinigung verurteilt (der Entscheid wurde später annuliert). Nach 60 Jahren soll die Todesstrafe in Zukunft nicht mehr nur gefällt, sondern auch vollstreckt werden.

Graswurzel-Radikalisierung Hauptproblem

Das Hauptproblem sei ein „Graswurzel-Radikalisierung“, erklärt Animesh Roul, Direktor der in Neu Dheli ansässigen Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung, der „Presse“. Über internationale Moscheen, vom Ausland gesponserte Moscheen und kostenlose Islamschulen in Pakistan und Saudi Arabien verbreiteten sich Wahhabismus und Salafismus im Land. „Die Regierung kümmert sich nicht wirklich um die Saudi-finanzierten Veränderungen des maledivischen Islam; was zählt ist das Geld der Saudis“, schreibt die Oppositionelle Azra Naseem auf ihrem Blog. Das radikale Gedankgengut traf vor allem bei sozial benachteiligten Jugendlichen mit fehlender Schulbildung auf fruchtbaren Boden – soziale Medien, das Internet, einflussreiche islamistische Gruppierungen und Nichtregierungsorganisationen taten ihr Weiteres, um die strenge Auslegung des Islam zu popularisieren, erkärt Roul.

Ausgerechnet Maumoon Abdul Gayoom, Malediviens autokratischer Ex-Präsident, warnte vor im Ausland radikalisierten Rückkehrern und ihrem ideologischen Einfluss. In den drei Jahrzehnten seiner Herrschaft erlebten die Malediven ein islamisches Revival: Seine Regierung erklärte 1997 den Islam zur Staatsreligion, die Ausübung anderer Religionen wurde verboten, ausländische Prediger und Madrasa erhielten ungedeckte politische und finanzielle Unterstützung.

Jahrzehntelang habe eine Regierung nach der anderen illegale religiöse Ordensgemeinschaften unterstützt, sagt Roul. „Einfache Leute sollten sich religiös engagieren, um von Missregierung und Extravaganz der Politiker und Eliten abgelenkt zu werden.“ Heute gehe die Regierung unter Präsident Abdulla Yameen zwar unter anderem mit Deradikalisierungskampagnen gegen radikale Elemente vor. Um sich an der Macht zu halten, lasse sie Hardliner jedoch weitgehend gewähren – so lange sie nicht staatliche Kerninteressen wie Tourismus oder Wirtschaft ins Visier nähmen.

Gegen "Vergnügungstourismus"

Schon Mohammed Nasheed, der erste demokratisch gewählte Präsident der Malediven und ein Hoffnungsträger der Liberalen, war am Widerstand der Hardliner gescheitert. Er war 2012 seines Amtes enthoben worden. Seine Gegner kritisierten ihn für seine anti-islamische Haltung und Wirtschaftspolitik: Er hatte Forderungen der Islamisten zurückgewiesen, die Luxusressorts des Landes, die "Vergnügungstourismus“, Alkohol und Schweinefleisch anböten, zu schließen. Stattdessen forderten sie einen „islamischen Tourismus".

Vergangenen März wurde Nasheed wegen terroristischer Straftaten zu 13 Jahren Haft verurteilt. Das zu Grunde liegende Anti-Terror-Gesetz sei ein Vorwand des Regimes, politische Gegner mundtot zu machen, meint Naseem – jene aber, die in Kriegsgebiete führen, um Terrorakte zu begehen, blieben ungestraft. Ein umfassendes Überwachungs- und Spionagenetzwerk ersticke Kritik im Keim, bevor sie überhaupt entstehen könne, schreibt der australische Journalist Ian Lloyd Neubauer nach einer Reise auf die Malediven.

Nicht nur gegen Bürger führt die Regierung in Malé ein strenges Regiment: Gegen einen ARD-Journalisten wurde Anfang des Jahres ein zehnjähriges Einreiseverbot verhängt. Er hatte über IS-Sympathisanten auf den Malediven recherchiert. "Sie wollten einige Leute gezielt als Extremisten darstellen, um dann zu sagen: Guckt her, so sind die Malediven", begründete Außenministerin Dunya Maumoon die Entscheidung.

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