In letzter Minute strich der iranische Präsident seinen geplanten Staatsbesuch. Als Grund gelten Sicherheitsbedenken. Es könnte aber auch an Demonstrationen liegen.
Es ist ein Ereignis, das schon im privaten Rahmen ungewöhnlich ist und im diplomatisch-politischen Umfeld erst recht Tür und Tor für Spekulationen öffnet: Da warten Politik und Wirtschaft in Österreich seit langem auf den zweitägigen Besuch von Irans Präsident Hassan Rohani sowie zahlreicher Minister und Wirtschaftsvertreter in dessen Entourage, setzen große Erwartungen in die Visite, etwa als Türöffner für Geschäfte mit dem schiitischen Gottesstaat. Und dann platzt am Dienstagabend, nicht einmal einen ganzen Tag vor dem geplanten Empfang Rohanis mit militärischen Ehren am Mittwochmorgen in Wien, die Nachricht herein: Er kommt nicht.
Wieso, das wurde später nur schemenhaft erklärt. Offensichtliche Gründe – etwa eine Erkrankung, eine akute Krise – schien es nicht zu geben. Aus der Präsidentschaftskanzlei zu Wien, wo man wohl konsterniert war, hieß es, dass die Iraner „Sicherheitsbedenken“ vorgebracht hätten. Man habe mit deren Diplomaten im Gefolge der Brüsseler Anschläge über die Sicherheitslage diskutiert, dabei aber versichern können, dass alle nötigen Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden seien.
Keine Bedenken bei Pakistan-Besuch
Der Sprecher des Innenministeriums, Karl-Heinz Grundböck, bestätigte, dass es keinerlei Hinweis auf eine konkrete Gefährdung in Österreich gebe. Aber die Iraner hätten eben mit einem Sicherheitsproblem argumentiert.
Und so blieb dem Gastgeber, Bundespräsident Heinz Fischer, vorerst nur, die Absage zu bedauern. Es sei „selbstverständlich, dass jeder Staat selbst über Sicherheit und jene des Staatsoberhauptes entscheiden müsse; die Qualität der Beziehungen werde jedenfalls nicht getrübt. Ein neuer Termin für die Visite wurde nicht bekannt gegeben.
Das Sicherheitsargument scheint indes auch darum fragwürdig, weil Rohani kürzlich in Pakistan war – einem mehrheitlich sunnitischen Staat, wo Terror seit Jahren alltäglich ist (siehe die Bombe jüngst auf einem Kinderspielplatz) und der Präsident eines schiitischen Landes sich wirklich bedroht fühlen kann. Freilich war danach eine von 27. bis 29. März geplante Reise Rohanis nach Bagdad abgesagt worden – aus Sicherheitsgründen.
„Bessere Rahmenbedingungen“
Interessanterweise hatte es Anfang Februar in belgischen Medien geheißen, Rohani werde etwa am 31. März, jedenfalls nach dem Wien-Besuch, nach Brüssel fliegen. Dort fanden jüngst die tödlichen Anschläge gegen Flughafen und U-Bahn statt, allerdings dürfte der Besuch schon lange zuvor geplatzt sein, denn man hat nichts mehr von dem Plan gehört.
Von iranischer Seite kam zur Wien-Absage keine Erklärung. Irans Nachrichtenagentur Irna meldete lediglich, man wolle den Besuch nachholen, wenn es „bessere Rahmenbedingungen für den Ablauf und die beabsichtigten Vereinbarungen beider Länder“ gebe. Wie „Die Presse“ erfuhr, könnte das mit Demos gegen den Besuch zusammenhängen, die für heute Vormittag von Kurdengruppen, dem Bündnis „Stop the Bomb“, der israelitischen Kultusgemeinde und anderen am Heldenplatz angekündigt waren. Und so hieß es, die Iraner hätten „ultimativ“ noch am Dienstagmorgen gefordert, die Demos nicht zuzulassen, aber Österreich habe auf die Demonstrationsfreiheit verwiesen. Hinter Wiener Kulissen wurde aber auch gemunkelt, dass sich ein Machtkampf im Iran zwischen Fundamentalisten und Reformern zugespitzt haben könnte. Immerhin gibt es Widerstand konservativer Kräfte gegen die Reformpolitik Rohanis.
Mit der Verschiebung des Besuchs fällt auch das große Wirtschaftsforum am Donnerstag aus. Österreich steht in der Warteschlange ganz vorn, geht es darum, sich Geschäfte mit dem Iran zu angeln, zu denen man im Zuge der Aufhebung der UN-Sanktionen nach Ende des Atomstreits anno 2015 wieder legal Zugang hat. 2014 lag Österreichs Exportleistung in den Iran bei nur etwa 240 Millionen Euro, man erwartet sich mehr als eine Verdoppelung. Zudem hätten sechs Abkommen unterzeichnet werden sollen, darunter zum Umwelt- und Wassermanagement mit Umweltminister Andrä Rupprechter und zu medizinischer Versorgung mit Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser.
Das Problem mit dem Wein
Um Irritationen der islamischen Gäste zu vermeiden, hatten die Gastgeber aus Toleranz und „religiösem Respekt“ übrigens beschlossen, wie bei früheren ähnlichen Besuchen beim Bankett auf Wein zu verzichten. Dafür sollte Fruchtsaft kredenzt werden. Zuletzt waren in Frankreich heftige Debatten darüber entbrannt, ob der obligatorische französische Rotwein beim Diner mit iranischen Vertretern ausgeschenkt werden solle oder nicht. Das Essen fiel schließlich aus. (ag./cu/wg/ws)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2016)