Donald Trump: Auf Stimmenfang mit der Hundepfeife

 Das eine sagen, das andere meinen: Donald Trump spricht mit codierter Sprache weiße Ressentiments an.
Das eine sagen, das andere meinen: Donald Trump spricht mit codierter Sprache weiße Ressentiments an.(c) REUTERS (CARLO ALLEGRI)
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Das Unverfängliche sagen, wenn man das Unerhörte meint: Donald Trump übt sich erfolgreich in der rhetorischen Figur der „Dog Whistle Politics“, um an das Ressentiment rassistischer Weißer zu appellieren.

Eine der packendsten Anekdoten, die Ronald Reagan im Jahr 1980 während seines Präsidentschaftswahlkampfes zum Besten gab, handelte von „Cadillac fahrenden Sozialhilfe-Königinnen“ und „strammen jungen Burschen, die sich mit ihren Lebensmittelmarken T-Bone-Steaks kaufen“.

Dem Großteil seines Publikums erschienen diese Beispiele bloß als Veranschaulichung der Auswüchse des amerikanischen Sozialwesens, das Reagan zusammenzustutzen gelobte. Doch bei einer wesentlichen Minderheit suburbaner und ländlicher weißer Wähler kam eine versteckte Botschaft an: Die Sozialhilfeschmarotzer waren natürlich Schwarze in Amerikas Großstädten.

Diese Botschaft war gezielt platziert. Sie ist bis heute eines der bekanntesten Beispiele für eine nicht nur in den USA beliebte Form der Kampfrhetorik, die „Dog Whistle Politics“. Wie nur ein Hund die hochfrequenten Töne einer Hundepfeife hören kann, kommen auch die Botschaften dieser „Dog Whistles“ nur bei jenen Zuhörern an, die für sie empfänglich sind. Das sind durchwegs Parolen, die mit ihrem Rassismus, Fremdenhass und Ressentiment gegenüber Minderheiten seit der Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre nicht mehr salonfähig sind.

Amerika wieder groß und weiß machen

Die sorgsam codierte politische Sprache der „Dog Whistle Politics“ erfüllt zwei Zwecke, erklärt Ian Haney López, Professor für Verfassungsrecht an der University of California, Berkeley, im Gespräch mit der „Presse“. „Sie tarnt rassistische Aussagen vor den Medien und der breiteren Öffentlichkeit, und sie verbirgt selbst vor den Anhängern, die auf sie ansprechen, dass sie auf rassistische Botschaften reagieren.“ Anders gesagt: Wenn ein Politiker zum rhetorischen Hundepfeiferl greift, spricht er gezielt die niedrigsten Instinkte seines Publikums an – doch dieses Publikum kann sich selbst einreden, nur auf Unverfängliches reagiert zu haben. „Die Leute können ihr Gewissen damit beruhigen, dass sie ja nur ihre Kultur schützen wollen oder gegen Sozialmissbrauch sind.“ Im heurigen Wahlkampf um die US-Präsidentschaft greift kein Kandidat so ungehemmt zu den „Dog Whistle Politics“ wie Donald Trump. Das beginnt bei „Make America Great Again“, seiner Kampfparole (die er übrigens von Reagans Slogan „Let's Make America Great Again“ von 1980 abgekupfert hat). „Die Betonung liegt hier nicht auf ,great‘, sondern auf ,again‘“, sagt Haney López. „Man muss das als ,Make America White Again‘ übersetzen. Er wendet sich äußert aggressiv rassistischen Angstvorstellungen zu.“

Noch klarer ist Trumps Spiel mit der diskursiven Hundepfeife an seinem zweiten Slogan zu sehen, nämlich „The Silent Majority Stands With Trump“. Diese angebliche schweigende Mehrheit, die sich gegen Gleichberechtigung unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht und anderen angeborenen Merkmalen wendet, war 1968 eine Erfindung des Wahlkampfteams von Richard Nixon. Gemeint war damals wie heute: die weiße, männliche, traditionelle Mehrheit. „Trump spricht nie in offen rassistischer Sprache“, gibt Haney López zu bedenken. „Er kann nicht offen sagen, dass er um die Stimmen jener Weißen wirbt, die sich von all diesen braunen Menschen bedroht fühlen.“

Fataler Respekt vor dem Amt

Einer der geschicktesten und, nach Ansicht seiner Kritiker, gewissenlosesten Proponenten von „Dog Whistle Politics“ hat in einem Interview erklärt, wie das funktioniert. „Man begann 1954, indem man ,Nigger, Nigger, Nigger‘ sagte“, erklärte der republikanische PR-Stratege Lee Atwater, ein späterer enger Vertrauter von George Bush Vater und Sohn, 1981 in einem damals anonym geführten und nach seinem Tod kenntlich gemachten Interview mit dem Politologen Alexander Lamis. „1968 kann man nicht mehr ,Nigger‘ sagen – das schadet einem. Also sagt man Sachen wie ,Rechte der US-Teilstaaten‘ und so. Man wird damit so abstrakt, dass man über Steuersenkungen reden kann und all diese rein ökonomischen Dinge, und ein Nebenprodukt davon ist, dass die Schwarzen stärker davon getroffen werden als die Weißen. Und unterbewusst gehört das dazu.“

Haney López ist angesichts von Trumps unbekümmertem Einsatz der „Dog Whistle Politics“ gegen Mexikaner, Moslems und andere Nichtweiße besorgt: „Es besteht das Risiko, dass die Öffentlichkeit Trumps Reden nun, da er seine Position in der Republikanischen Partei konsolidiert, aus einem fehlgeleiteten Respekt vor dem Amt des Präsidentschaftskandidaten gleichsam weißwäscht. Dabei verkörpert er heute die gefährlichsten Aspekte der ,Dog Whistle Politics‘.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2016)

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