Klares "Nein" bei Italien-Referendum - Renzi kündigt Rücktritt an

Ein geschlagener Matteo Renzi
Ein geschlagener Matteo RenziAPA/AFP/ANDREAS SOLARO
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Die Italiener sagen "Nein" zur Verfassungsänderung. Der Premier reicht am heutigen Montag seinen Rücktritt ein, Oppositioneller Beppe Grillo fordert Neuwahlen.

Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi ist über ein Verfassungs-Referendum gestolpert. Die große Mehrheit der Italiener lehnte Renzis Verfassungsreform am Sonntag ab. Der sozialdemokratische Regierungschef zog noch in der Nacht auf Montag die Konsequenzen und kündigte seinen Rücktritt an.

Er werde am Montag Staatspräsident Sergio Matarella sein Rücktrittsgesuch überreichen, kündigte der Premier an. Laut Hochrechnung nach Auszählung von rund der Hälfte der Wahlkreise stimmten knapp 60 Prozent der Italiener gegen die von Renzi seit Monaten beworbene Reform. Nur rund 40 Prozent stimmten für die "Mutter aller Reformen", wie Renzi die größte Verfassungsreform seit 1946 bezeichnet hatte.

Land sollte besser regierbar werden

Ziel der Reform war er den Senat als gleichberechtigte zweite Parlamentskammer zu entmachten und dadurch die Regierbarkeit des Landes zu erleichtern. Bisher waren Abgeordnetenhaus und Senat gleichberechtigt und blockierten sich oft gegenseitig. Seit 1946 gab es in Italien bereits mehr als 60 Regierungen. Renzi hatte im Wahlkampf seine politische Zukunft mit dem Ausgang des Referendums verknüpft.

"Wir haben es nicht geschafft die Mehrheit der Italiener zu überzeugen", erklärte Renzi in der Nacht auf Montag. Er übernehme die volle Verantwortung dafür. Das Referendum bezeichnete Renzi jedoch wegen der hohen Wahlbeteiligung als "Fest der Demokratie".

Grillo fordert vorgezogene Wahl

Der Chef der europakritischen Protestbewegung "Fünf Sterne", Beppe Grillo, feiert den Sieg des "Nein" beim Referendum in Italien und den Rücktritt von Premier Matteo Renzi. Als "Sieg der Demokratie" bezeichnete der Starkomiker das Ergebnis des Referendums über Renzis Verfassungsreform. Grillo drängte laut Medienangaben auf Neuwahlen. "Adieu Renzi! Die Italiener sollen jetzt so rasch wie möglich wählen", sagte Grillo. Er plane eine Online-Diskussion unter den Anhängern seiner Bewegung über ein Wahlprogramm. Die populistische Partei könnte laut Umfragen mit über 30 Prozent der Wählerstimmen zur stärksten Einzelpartei avancieren.

Die Wahlbeteiligung bei dem Verfassungsreferendum, zu dem 47 Millionen Italiener aufgerufen waren, war unerwartet hoch. Laut Innenministeriums hatten mehr als 68 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimmen abgegeben. Die Wahlbeteiligung unter den vier Millionen Auslandsitalienern lag bei 30,8 Prozent. Für die Gültigkeit des Referendums war kein Beteiligungsquorum nötig, da es um eine Bestätigung einer vom Parlament gebilligten Verfassungsreform ging.

"Es lebe Italien"

"Wer für ein Ideal kämpft, kann nicht verlieren", sagte Renzi. "Ich bin stolz über das Italien, das an die Politik glaubt", sagte Renzi. Er dankte seiner Frau Agnese und seinen Kindern für ihre Unterstützung. "Jetzt beginnt für mich die Zeit, mich wieder auf den Weg zu machen. Es lebe Italien, viel Glück für uns alle", so Renzi.

Die Gegner Renzis feierten dessen Niederlage Sofort nach Veröffentlichung der Nachwahlbefragungen wurde der Rücktritt Renzis gefordert. "In Italien hat der Rexit begonnen", erklärte der Fraktionschef der oppositionellen Forza Italia, Maurizio Gasparri. Die Partei um Ex-Premier Silvio Berlusconi bezeichnete das Referendum als "großen Sieg der Demokratie". "Game over für Renzi!", twitterte der Fraktionschef der Forza Italia.

Der Chef der ausländerfeindlichen Oppositionspartei Lega Nord, Matteo Salvini, forderte sofortige Neuwahlen. "Die Italiener haben bewiesen, dass sie mit Renzi Schluss machen wollen. Sie sind ein Volk, das sich nicht mit Drohungen seitens der Bankiers und der Finanz einschüchtern lässt", so Salvini.

Kern: Renzi würde fehlen

Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen jubelte ebenfalls über den Ausgang des Referendum. "Bravo an unseren Freund @matteosalvinimi für diesen Sieg", twitterte sie am späten Sonntagabend. Matteo Salvini ist Parteichef der rechtspopulistischen Lega Nord, die die Verfassungsreform bekämpft hatte. Zuvor schrieb sie bereits: "Die Italiener haben die EU und Renzi verurteilt. Man muss diesem Durst der Nationen nach Freiheit und Schutz zuhören."

Österreichs Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat am späten Sonntagabend sein Bedauern über einen möglichen Rücktritt seines Kollegen ausgedrückt. "Falls Renzi tatsächlich geht, ist das keine gute Nachricht für Europa. Würde als Partner zur notwendigen EU-Reform sehr fehlen," so Kern auf Twitter.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn erwartet zunächst keine drastischen Folgen für die Europäische Union. "Ich sehe keine Niederlage für Europa", sagte Asselborn am späten Sonntagabend der dpa. "Italien hat über eine Reform abgestimmt. Es wäre falsch, das jetzt auf die europäische Ebene zu ziehen. Das war eine innenpolitische Auseinandersetzung."

(APA)

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