Serbien provoziert Prishtina mit Propagandazug

„Kosovo ist Serbien“: der gestoppte Zug.
„Kosovo ist Serbien“: der gestoppte Zug. (c) APA/AFP/OLIVER BUNIC
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Belgrad wollte am Wochenende erstmals nach 18 Jahren wieder einen Zug in die Exprovinz Kosovo fahren lassen. Waggons mit nationalistischen Aufschriften haben die angespannten Beziehungen der früheren Kriegsgegner weiter verschärft.

Dezentes Design sieht anders aus. Der Schriftzug „Kosovo ist Serbien“ prangt in 21 Sprachen auf dem in den Landesfarben Rot-Blau-Weiß lackierten Zug, den die serbischen Eisenbahnen am Wochenende erstmals seit dem Kosovo-Krieg 1999 wieder von der Hauptstadt Belgrad in Richtung der seit 2008 unabhängigen Exprovinz auf die Reise schickten. Sitzkissen in den Landesfarben und Ikonenmotive aus den Kosovo-Klöstern sollen die patriotische Stimmung der Reisenden heben. Doch zumindest auf seiner Premierenfahrt gelangte der Propagandazug aus russischer Fertigung am Samstagabend nicht ans Ziel.

Weil die Regierung des Kosovo die Anweisung gab, den Zug „um jeden Preis zu stoppen“, und Sondereinsatzkräfte an die Grenze entsandte, setzte Belgrad selbst dessen Fahrt im grenznahen Raška ein Ende: Mit Bussen setzten die Reisenden ihre Fahrt in die geteilte Kosovo-Stadt Kosovska Mitrovica fort. Prishtina habe „Kriegsspiele“ vorbereitet, um einen „Konflikt größeren Ausmaßes zu provozieren“, entrüstete sich hernach Serbiens nationalpopulistischer Premier, Aleksandar Vučić. Um den „Frieden zu bewahren“, habe er den Zug stoppen lassen: „Doch dies ist die letzte Warnung an die Albaner: Serbien wird nicht zulassen, dass Serben mit Waffen angegriffen werden.“ Am Sonntag legte Belgrad nach: Die Regierung forderte die EU als Vermittler im Dialog mit Prishtina auf, die „Bewegungsfreiheit“ nun zum einzigen Thema der seit Jahren laufenden Gespräche zu machen. Und Präsident Tomislav Nikolić polterte: „Wir werden die Armee schicken, um die Serben vor ihrer potenziellen Ermordung zu schützen.“

Prishtina wirft Belgrad hingegen den erneuten Versuch der gezielten „Destabilisierung“ des Staatenneulings vor. Kosovo respektiere den freien Personen- und Güterverkehr, versicherte am Wochenende Staatschef Hashim Thaçi. Doch die Einreise des mit „nationalistischen Parolen“ versehenen Zuges sei „absolut unakzeptabel“.

Züge können Länder verbinden, doch auf dem streitbaren Balkan auch entzweien: Es knistert wieder einmal kräftig im Gebälk der labilen Nachbarschaftsehe. Der 2008 erklärten Unabhängigkeit des mittlerweile von 110 der 193 UN-Mitglieder anerkannten Kosovo verweigert Belgrad bis heute die Anerkennung. Der zähe, von der EU seit 2011 forcierte Nachbarschaftsdialog zur Normalisierung des grenzüberschreitenden Alltags hat bisher fast nur Fortschritte auf dem Papier gebracht: Der Großteil der Vereinbarungen des Abkommens von 2013 wurde noch nicht umgesetzt. Nicht nur die zeitweise Inhaftierung und vorläufige Freilassung von Kosovos Ex-Premier Ramush Haradinaj in Frankreich aufgrund eines serbischen Haftbefehls haben die Beziehungen in der Vorwoche erneut belastet: Es ist Serbiens nahende Präsidentschaftswahl, die derzeit das Verhältnis zu vielen seiner Nachbarn überschatten.

Spektakel auf Kosten der Minderheit

Die Profilierung auf Kosten der Nachbarn ist in allen Ländern des früheren Jugoslawien ein bewährtes Wahlkampfrezept. Von Außenminister Ivica Dačić über Staatschef Nikolić bis hin zu Premier Vučić versuchen sich im Vorfeld der Wahl im April derzeit die potenziellen Kandidaten in Serbiens Regierungslager in der Kunst des patriotischen Säbelrasselns zu übertreffen. Auch der wie erwartet gestoppte Propagandazug schien eher für das heimische Publikum als für die nur noch 100.000 Menschen zählende Minderheit der Serben im Kosovo gedacht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2017)

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