Will der Kreml Trump in der Ukraine testen?

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UKRAINE-RUSSIA-CONFLICT-CRISIS(c) APA/AFP/ALEKSEY FILIPPOV
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Analyse. Rund um die Donbass-Stadt Awdiiwka eskaliert die Gewalt in einer Zeit der geopolitischen Unsicherheit. Kiew fürchtet, von Trump im Stich gelassen zu werden. Die Separatisten versuchen auszuloten, wie weit sie gehen können.

Kiew/Moskau/Wien. Nach außen hin funktioniert der diplomatische Apparat der Vereinigten Staaten noch nach den gewohnten Gesetzmäßigkeiten. In einer Sondersitzung des Ständigen Rates der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), einem der wenigen regelmäßigen Treffpunkte westlicher und russischer Diplomaten, machte die kommissarische Leiterin der US-Delegation, Kate M. Byrnes, am Dienstag Moskau für die militärische Eskalation rund um die vom ukrainischen Militär kontrollierte Industriestadt Awdiiwka verantwortlich: „Russland und die Separatisten haben die Gewalt in Awdiiwka initiiert.“

Byrnes rief Moskau zur Einhaltung des Waffenstillstandes auf und warnte davor, weiter auf ukrainisch kontrolliertes Gelände vorzudringen. Ungewöhnlich sind die deutlichen Worte nicht, standen die USA doch seit Beginn des Konflikts auf Kiews Seite. Dort fragt man sich seit dem Amtsantritt Donald Trumps, ob die Tage der demonstrativen Unterstützung bald gezählt sind. Trump, den die Ukraine nicht sonderlich zu interessieren scheint, hinterlässt in der Region das Gefühl der Unwägbarkeit und Verunsicherung. In einem ungelösten Konflikt kann das schlimme Folgen haben.

Seit dem Wochenende starben in und um Awdiiwka acht Soldaten der ukrainischen Armee und mehrere prorussische Kämpfer, lebensnotwendige Infrastruktur wurde zerstört und Hunderte Bewohner evakuiert. Wer für die Eskalation verantwortlich ist, ist angesichts der fortdauernden Konfliktgeschichte schwer festzustellen.

In Orten wie Awdiiwka, wo feindliche Stellungen nahe beieinander liegen, wird regelmäßig gegen den Waffenstillstand verstoßen. Auch tragen die Versuche beider Kriegsparteien, Orte in der Pufferzone unter ihre Kontrolle zu bringen (wie jüngstens ins Nowoluhanske von ukrainischer Seite) nicht zur Entspannung bei. Im Falle von Awiiwka machten sich beide Parteien gegenseitig für den Ausbruch der Gefechte verantwortlich.

Angst vor einem Deal Trumps

Die aktuellen Gefechte sind mehr als eine lokale Eskalation, wenn auch auf beiden Seiten derzeit der Wille für eine groß angelegte Offensive fehlt. Die Gewalt in Awdiiwka ist in diesen Tagen mit politischer Bedeutung aufgeladen. Jeder einzelne Schuss scheint den weltpolitischen Verschiebungen dieser Tage Ausdruck zu verleihen. Zeigt die Ukraine verzweifelt Stärke? Will Moskau seinen erklärten neuen Freund in Washington testen? Versuchen beide Seiten vor einer Ansage Trumps Fakten auf dem Boden zu schaffen, um in einer gestärkten Position zu sein?

Auch an politischen Signalen besteht kein Mangel. Während Präsident Petro Poroschenko zu Wochenbeginn in Berlin vor der Gefahr eines aggressiven Russlands für die Ukraine und die USA warnte, ist Russland mehr denn je bemüht zu beweisen, dass Kiew das Minsker Abkommen sabotiere. Gestern sprach Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow von der Notwendigkeit eines Dialogs zwischen den USA und Russland, um den Konflikt zu entschärfen. In Kiew fürchtet man genau das: einen Deal beider Mächten ohne Mitsprache.

Alexandra Dworetskaja, ukrainische Aktivistin von der Menschenrechts-NGO „Wostok SOS“, teilt die Sorge über Trumps Pläne. Andererseits, sagt sie, „befindet sich die ukrainische Gesellschaft sei drei Jahren im Stress“. Baldige Entspannung ist nicht zu erwarten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2017)

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