Kroatien: Wenn Untaugliche die Wehrpflicht wollen

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Eine geplante mehrwöchige „Mini-Wehrpflicht“ stößt auf Kritik, zumal die Hälfte der Regierung nie im Militär diente. Auch der sportliche Premier, Wasser- und Basketballspieler Andrej Plenković ließ sich einst untauglich schreiben.

Zagreb/Belgrad. Zumindest an patriotischen Worten lässt es Kroatiens ranghöchster Befürworter einer Wiedereinführung der 2008 ausgesetzten Wehrpflicht nicht mangeln: Die Idee einer drei- bis vier Wochen währenden Grundausbildung sei, die „Streitkräfte unter jungen Menschen populär zu machen“, erläutert Premierminister Andrej Plenković den Sinn der ab 2019 geplanten Kurzzeit-Wehrertüchtigung. Die Streitkräfte (momentan etwa 21.000 Mann Aktivstärke, davon 16.000 im Heer, je rund 2200 in Luftwaffe und Marine) sollten für jene Generationen attraktiver werden, „die sich an die Zeiten des Vaterländischen Kriegs nicht mehr erinnern“.

Wie die Hälfte seines Kabinetts hat der 46jährige Chef der konservativen Partei HDZ selbst jedoch nie gedient: Ende der 1980er als untauglich ausgemustert, blieb dem Juristen auch die Teilnahme am Kroatienkrieg (1991-95) erspart. Eher zögerlich gab der Zagreber Sohn einer Ärztin in dieser Woche schließlich den Grund seiner Wehrunfähigkeit preis: Vor 30 Jahren sei bei ihm die genetisch bedingte Blutarmut „Thalassämie minor“ konstatiert worden.

Premier war Drückeberger

Doch die wirke sich „keineswegs negativ“ auf die Ausführung seines Amtes aus. Tatsächlich preist sich der Regierungschef auf seiner Website stolz als Basketball-, Wasserball- und Tennis-Spieler. Die leichte Form der angeborenen „Mittelmeer-Blutarmut“ galt einst in südlichen Breiten sogar als Überlebensvorteil, da sie die Vermehrung von Malaria-Erregern im Blut bremst. Physische Anstrengungen können bei einer Minderheit der Erkrankten zwar zu Atemnot und erhöhter Körpertemperatur führen; einstige Spitzensportler wie das frühere US-Tennis-As Pete Sampras oder die französische Fußballlegende Zinedine Zidane beeinträchtigt diese Krankheit so wie die Mehrheit ihrer Träger im Alltag hingegen kaum.

Wegen der vermehrten Verbreitung der Thalassämie im Mittelmeerraum hätte eigentlich eine „große Zahl der Bewohner Dalmatiens vom Wehrdienst befreit“ werden müssen, ätzt denn auch bissig das Online-Portal „index.hr“.

Tatsächlich war der lästige und lange Wehrdienst mit den richtigen Beziehungen und Attesten schon in Zeiten Jugoslawiens durchaus zu umschiffen. Auch die Zerfallskriege der 90er-Jahre wurden auf allen Seiten oft eher von eingezogenen Soldaten aus der Provinz denn von Jungakademikern der Großstädte ausgefochten. In Kroatien ist die geplante Wiedereinführung einer Mini-Wehrpflicht jedoch vor allem wegen der Kosten und des begrenzten Nutzens umstritten. Bürgerrechtsgruppen warnen auch vor einer „Militarisierung“ der Gesellschaft.

Die Dauerreibungen mit dem früheren Kriegsgegner Serbien macht die sozialdemokratische Opposition als eigentlichen Grund für die geplanten Wehrsport-Sommerkurse aus. Tatsächlich übt sich Belgrad angesichts von Serbiens nahenden Präsidentschaftswahlen mit der Beschaffung gebrauchter russischer und weißrussischer Kampfflugzeuge und Panzer seit Wochen im rhetorischem Wahlkampf-Waffengerassel.

Billiger als Waffenkäufe und Wehrpflicht wären sicherlich vermehrte bilaterale Kontakte. Doch auch vier Monate nach Amtsantritt hat Plenković noch immer nicht das Nachbarland Serbien besucht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2017)

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