Trump und Trudeau: Ein Gipfeltreffen der Gegensätze

U S President Donald Trump greets Canada s Prime Minister Justin Trudeau on a windy day to the West
U S President Donald Trump greets Canada s Prime Minister Justin Trudeau on a windy day to the West(c) imago/UPI Photo (imago stock&people)
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Der liberale kanadische Premier und der populistische US-Präsident begruben bei ihrem ersten Treffen weltanschauliche Unterschiede.

Washington. Knapp vor Ende einer kurzen und recht zahmen Pressekonferenz am Montag im Weißen Haus bekam Kanadas Premierminister Justin Trudeau eine Frage gestellt, die den Unterschied zwischen seiner Politik und jener seines Gastgebers, des US-Präsidenten Donald Trump, auf den Punkt brachte: Was sei von Trumps unbefristetem Stopp der Aufnahme syrischer Kriegsflüchtlinge zu halten? Doch Trudeau löste das mögliche Eskalationspotenzial seiner Antwort in diplomatischer Geschliffenheit auf: „Das Letzte, was die Kanadier von mir erwarten, ist hierher zu kommen und ein anderes Land darüber zu belehren, wie es sich selbst zu regieren hat.“

So endete das erste und kurze Treffen zwischen dem Sohn der liberalen kanadischen Politiklegende Pierre Trudeau und dem rechtspopulistischen Hausherrn in Washington mit höflich-substanzlosen Platitüten. Weder Trudeau noch Trump legten es darauf an, vor versammelter Presse einen Eklat vom Zaun zu brechen. Dabei ist die charakterliche und ideologische Kluft zwischen den beiden enorm – etwa in der Geschlechterfrage. Während Trudeau Ende 2015 mit dem ersten Kabinett in Kanadas Geschichte antrat, dem gleich viele Frauen wie Männer angehören, sind von Trumps 15 bestätigten und designierten Regierungsmitgliedern zwölf weiße Männer und einer ein schwarzer. Nur zwei Frauen finden sich in Trumps Kabinett, und ihre Portefeuilles (Bildung und Verkehr) sind politisch marginal.

Auch in der Frage der Klimapolitik könnten die beiden kaum unterschiedlicherer Ansicht sein. Während Trump den Klimawandel bekanntlich als „Schwindel, der von den Chinesen erfunden wurde“ bezeichnet, um Amerikas Industrie in die Knie zu zwingen, hat Trudeau die Klimapolitik zu einer Priorität seines Regierungsprogramms erklärt und den kanadischen Provinzen eine Frist bis zum Jahr 2018 gesetzt, um Pläne zur Einführung eines Systems zur Bepreisung von Treibhausgasen vorzulegen.

Groß ist gleichfalls der Kontrast in der Frage, wie mit der historischen Flüchtlingswelle aus dem Nahen Osten umzugehen sei. Im Gegensatz zu Trumps Aufnahmestopp für syrische Flüchtlinge kündigte Trudeau rasch nach Amtsantritt an, die Zahl der aufzunehmenden Vertriebenen aus Syrien bis Ende 2016 auf 50.000 zu erhöhen. „Sicherheit und Einwanderung müssen sehr gut abgestimmt sein“, sagte Trudeau und betonte, die USA und Kanada seien gleichermaßen darum bemüht, „freie, offene Gesellschaften zu schaffen“, in denen sich die Bürger sicher fühlen könnten. Trump ließ die Frage einer kanadischen Journalistin, ob er alle syrischen Kriegsvertriebenen gleichsam als trojanische Pferde für Terrorismus betrachte, unbeantwortet und sprach damit unzusammenhängend über illegale Einwanderer an der Südgrenze der USA.

Ein Elefant namens Nafta

Trudeaus Vater, Pierre, der von 1968 bis 1984 Kanadas Regierung führte, pflegte das Verhältnis seines Landes zu den USA damit zu vergleichen, eine Bettstatt mit einem Elefanten zu teilen: jedes kleine Zucken, jedes kleine Grunzen bekommt man nördlich der Grenze sofort und in voller Stärke mit. Insofern ist Trumps Ankündigung, die nordamerikanische Freihandelszone Nafta aufkündigen und neu verhandeln zu wollen, eine elefantöse Bedrohung für Kanadas Wirtschaft und Wohlstand. Das Land ist zweitgrößter Export- und drittgrößter Importpartner der USA. Vor allem die Auto- und Maschinenbauindustrie ist kraft der Zollfreiheit zwischen den beiden Volkswirtschaften (und Mexiko) saumlos integriert.
Auf die Frage danach, ob Kanada ebenso ein unfairer Handelspartner im Rahmen Nafta sei, wie er es Mexiko unterstelle, erklärte Trump in allgemeinen Worten, mit Kanada liefen die Dinge viel besser.

Trudeau wird in seinem Verhältnis zu Trump auch weiterhin versuchen, das Wesen von Nafta zu bewahren, selbst wenn es zu einer Neuverhandlung kommen sollte. Der amerikanische Präsident hat bisher den Kongress noch nicht von seiner Absicht, dieses mehr als zwei Jahrzehnte alte Abkommen zu kündigen, in Kenntnis gesetzt. Trudeaus Hoffnung ist, dass Trump vorerst von anderen Angelegenheiten abgelenkt werden kann.

Grünes Licht für Keystone XL

Zumindest in einer Frage überschneidet sich Trumps Abneigung gegenüber Umweltvorschriften und Begeisterung für Öl, Gas und Kohle mit Trudeaus innenpolitischen Zwängen. Keystone XL, jene Rohrleitung, die Öl aus Kanadas Teersanden zu den Raffinerien am Golf von Mexiko befördern soll, hat nach dem von Trumps Vorgänger, Barack Obama, verfügten Baustopp nun wieder grünes Licht. Diese Pipeline stieß Trudeau in ein Dilemma, denn ihr Bau widersprach seinem Bekenntnis zum Klimaschutz. Doch auf einer Tour durch Wahlbezirke in den westlichen, stark von der fossilen Energiewirtschaft abhängigen Provinzen wie Alberta wurde er hart attackiert und ausgebuht. Wird Keystone XL nun dank Trumps Plazet gebaut, kann Trudeau dieses leidige Thema abschließen und der konservativen Opposition den Wind aus den Segeln nehmen.

Weder Trump noch Trudeau sprachen Keystone XL am Montag ausdrücklich an. Doch Trudeau machte eine indirekte Bemerkung, indem er sagte, Kanada und die USA sollten an gemeinsamen Projekten zur Stärkung der Energieinfrastruktur arbeiten, um Arbeitsplätze zu schaffen: eine Botschaft, zu der Trump bekräftigend nickte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2017)

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