Moskau wittert Anti-Russland-Kampagne hinter Flynns Rücktritt

 Michael Flynn
Michael Flynn(c) REUTERS (CARLOS BARRIA)
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"Von den Falken in Washington wird die Bereitschaft zum Dialog mit den Russen als Gedankenverbrechen gesehen", heißt es aus Moskau über den Rücktritt des nationalen Sicherheitsberaters des US-Präsidenten.

Es ist ein Erdbeben, das seine Kreise über das Weiße Haus hinauszieht: Der nationale Sicherheitsberater der neuen US-Regierung, Michael Flynn, ist wegen umstrittener Russland-Kontakte zurückgetreten. Russische Politiker meldeten sich am Dienstag prompt zu dem Personalwechsel im Weißen Haus zu Wort: Sie werteten den Rücktritt Flynns als schlechtes Zeichen für die bilateralen Beziehungen.

"Von den Falken in Washington wird die Bereitschaft zum Dialog mit den Russen als Gedankenverbrechen gesehen", schrieb der Vorsitzende im Außenausschuss des Föderationsrates, Konstantin Kossatschow, am Dienstag auf Facebook. Er meinte, Präsident Donald Trump könne entweder nicht selbstständig handeln oder er werde daran gehindert. Flynn wegen seiner Kontakte zum russischen Botschafter Sergei Kisljak in Washington zu entlassen sei "nicht nur Paranoia, sondern etwas viel Schlimmeres".

"Flynn zu Rücktritt gezwungen"

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Parlament, Leonid Sluzki, wertete den Schritt am Dienstag als Versuch, eine Annäherung zwischen den Regierungen in Washington und Moskau zu behindern. "Es ist offensichtlich, dass Flynn sein Rücktrittsgesuch unter Druck schreiben musste", sagte Sluzki. Ziel sei auch gewesen, das Vertrauen in die neue US-Regierung zu untergraben. "Wir werden sehen, wie sich die Lage entwickelt", so Sluzki laut Nachrichtenagentur RIA. Der Kreml wollte den Rücktritt nicht kommentieren. Es sei eine innere Angelegenheit der USA, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Im Zentrum der Affäre steht ein Gespräch mit Russlands Botschafter Kisljak, das Flynn vor dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump im vorigen Monat geführt hatte. Er habe Vizepräsident Mike Pence über seine Telefonate mit dem russischen Botschafter irrtümlich falsch informiert und sich dafür entschuldigt, erklärte Flynn am Montagabend (Ortszeit) in seinem Rücktrittsschreiben.

Schon seit einiger Zeit gab es Vorwürfe, dass der frühere Generalleutnant noch vor dem Amtsantritt Trumps am 20. Januar - etwa zur gleichen Zeit, als der scheidende Präsident Barack Obama neue Sanktionen gegen Russland verhängte - über eine Aufhebung von US-Sanktionen gegen Russland gesprochen haben könnte. Damit könnte er gegen ein Gesetz verstoßen haben, das US-Privatleuten außenpolitische Verhandlungen untersagt.

Mitschriften bestätigen Flynns Deal

Nach Angaben des Präsidialamtes übernimmt nun der frühere General Keith Kellogg Flynns Posten, bis Trump einen Nachfolger gefunden hat. Im Gespräch ist Regierungskreisen zufolge etwa der frühere CIA-Direktor David Petraeus. Dieser wurde als General auch international bekannt, weil er Kommandeur der Afghanistan-Schutztruppe Isaf war.

Flynn hatte Pence zugesichert, dass die US-Sanktionen gegen Russland bei seinen Gesprächen kein Thema gewesen seien. Regierungsmitarbeitern zufolge belegen allerdings Mitschriften, dass dies im Austausch mit Kisljak sehr wohl der Fall war. Demnach versprach der Sicherheitsberater zwar nicht die Aufhebung der Strafmaßnahmen, deutete einen derartigen Schritt aber an. Trump hatte schon im Wahlkampf betont, die Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin verbessern zu wollen. Vor allem wegen der Ukraine-Krise und des Bürgerkrieges in Syrien ist das amerikanisch-russische Verhältnis zurzeit so gespannt wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr.

Flynn von Beginn an umstritten

Bereits im Januar hatte die damalige kommissarische Justizministerin Sally Yates einem Insider zufolge die Regierung gewarnt, dass Flynn falsche Angaben über seine Gespräche gemacht haben könnte. Damit könne er erpressbar sein. Yates wurde später entlassen, weil sie sich gegen Trumps Einreiseverbot für Bürger aus sieben muslimischen Staaten stellte.

Flynn war früher Chef des Militärgeheimdienstes DIA und spielte schon in Trumps Wahlkampf eine wichtige Rolle. An seiner Person entzündete sich von Beginn an Kritik. Grund waren seine politisch oft extremen Positionen, auch und vor allem gegenüber dem Islam. Bei Kundgebungen hielt er oft die Einführungsrede, bevor der Immobilienmilliardär auf die Bühne kam. Auch Flynn setzte sich für ein Tauwetter in den Beziehungen zu Russland ein. Regierungskreisen zufolge ist es mit seinem Rücktritt unwahrscheinlicher geworden, dass sich in der Russlandpolitik der USA kurzfristig viel ändert.

(APA/Reuters/dpa)

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