Deutsch-Türkische Krise

Verfassungsschutz befürchtet Gewalt zwischen Deutschtürken

Erdoğan-Fans in Frankfurt
Erdoğan-Fans in FrankfurtAPA/AFP/dpa
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Hans-Georg Maaßen sieht eine drohende Eskalation von "Stellvertreterkonflikten" in der türkischen Gemeinde Deutschlands. Auch steige die Zahl gewaltbereiter Islamisten.

Wegen der Entwicklung in der Türkei und der schweren diplomatischen Verstimmung zwischen Ankara und Berlin befürchtet der deutsche Bundesverfassungsschutz auch in Deutschland gewalttätige Zusammenstöße zwischen verschiedenen politischen und ethnischen Fraktionen mit türkischem Migrationshintergrund. "Wir sehen seit langem, dass die Konflikte in der Türkei auch Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland haben", sagte Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen am Mittwoch.

Die Bruchlinien zwischen den verschiedenen Lagern in der Türkei bildeten sich nach Jahrzehnten des Zuzugs und der mittlerweile unübersehbaren Vergrößerung der Bevölkerungsschichten mit türkischem und kurdischem Hintergrund spiegelbildlich und offensichtlich auch in Deutschland ab.

"Schlagkräftiges Gefährdungspotenzial"

"Es besteht die Gefahr, dass diese Stellvertreterauseinandersetzungen, etwa zwischen PKK-Anhängern und nationalistischen und rechtsextremistischen Türken, eskalieren, weil in beiden Szenen ein hohes, schlagkräftiges Gefährdungspotenzial vorhanden ist." Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ist in Deutschland und der Türkei verboten und als Terrororganisation eingestuft.

Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz
Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutzimago

Der Verfassungsschutz beobachtet nicht nur eine Zunahme der Spannungen zwischen diesen und anderen Lagern (etwa Erdoğan-Fans und Gegnern) unter Deutschtürken, sondern auch einen signifikanten Anstieg der nachrichtendienstlichen Tätigkeiten der Türkei in Deutschland. So ermittelt die Bundesanwaltschaft seit einiger Zeit gegen mehrere Geistliche des staatlichen türkischen Islamverbandes Ditib wegen Verdachts auf geheimdienstliche Agententätigkeit. Sie werden beschuldigt, im Auftrag der türkischen Religionsbehörde "Diyanet" Anhänger des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen ausspioniert zu haben. Die türkische Regierung macht Gülen für den Putschversuch vom Sommer verantwortlich.

Türkische "Maulwürfe" in Europa in Aktion

Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in Österreich: Auch hier hat die Staatsanwaltschaft kürzlich Ermittlungen gegen die Türkisch-Islamische Union ATIB wegen Spionagevorwürfen aufgenommen. Die gleichen Verdachtsmomente bis hin zu klaren Beweisen gibt auch etwa in den Niederlanden, Belgien und Dänemark.

Wie der Chef des Verfassungsschutzes außerdem mitteilte, steigt die Zahl gewaltbereiter Islamisten in Deutschland weiter. Anschläge seien nach Einschätzung des Inlandsgeheimdienstes nach wie vor möglich. "Wir haben eine unverändert hohe Gefährdungslage in Deutschland. Deutschland ist in der Zielauswahl des IS im Laufe des Jahres 2016 deutlich priorisiert", so Maaßen.

(dpa)

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