Mark Rutte: „Es. Wird. Nicht. Geschehen.“

Charmant, populär, bürgernah: Mark Rutte, der rechtsliberale Regierungschef in Den Haag, hat trotz wahrscheinlicher Einbußen gute Chancen auf eine Wiederwahl.
Charmant, populär, bürgernah: Mark Rutte, der rechtsliberale Regierungschef in Den Haag, hat trotz wahrscheinlicher Einbußen gute Chancen auf eine Wiederwahl.(c) REUTERS (MICHAEL KOOREN)
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Vor der Parlamentswahl am Mittwoch schließt Premier Mark Rutte eine Koalition mit dem Rechtspopulisten Geert Wilders aus. Dies ist breiter Konsens im Land.

Den Haag. Die Polemik um die Auftritte türkischer Minister in den Niederlanden könnten den heimischen Rechtspopulisten um Geert Wilders im Wahlkampf-Finish noch einmal einen letzten Auftrieb verleihen. Jüngst zog er mit seinen Getreuen vor die türkische Botschaft in Den Haag, um gegen eine geplante Kundgebung des Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu zu protestieren. „Bleib weg! Dies ist unser Land“, lautete ihr Slogan.

Der Eklat schien wie bestellt für Wilders. Doch Premier Mark Rutte von der rechtsliberalen Volkspartei stand ihm nur wenig nach – weniger harsch im Ton, aber in der Botschaft nicht weniger hart: „Bleiben Sie zu Hause.“ Er ließ der Regierung in Ankara ausrichten, dass Kundgebungen für das Verfassungsreferendum in den Niederlanden unerwünscht seien – zumindest vor der Parlamentswahl am Mittwoch, die ohnehin von der Debatte um Migration, den Islam und die EU-Politik beherrscht wird. Sachthemen spielten dagegen nur eine untergeordnete Rolle.

Alles dreht sich um die Frage: Wie halten wir es mit den Rechtspopulisten? Längst hat die Demagogie Wilders' auf die Konkurrenz im zersplitterten Parteienspektrum abgefärbt. In einem offenen Brief an alle Niederländer in Form einer Zeitungsannonce, der sich indessen unverhohlen an die Immigranten richtete, forderte Mark Rutte sie auf, sich zu assimilieren: „Verhaltet euch normal – oder geht.“

Das Wilders-Phänomen

Die Niederländer kennen das Phänomen von den vergangenen Urnengängen zur Genüge: Seit Monaten dominieren Wilders und seine Ein-Mann-Partei die Diskussion. Die Umfragen attestierten den Rechtspopulisten im Zenit einen Höhenflug von bis zu 22 Prozent, ehe die Zustimmung am Ende doch noch abflaue und die sonst so soliden Niederländer vor einem Votum für Wilders zurückschreckten. Die Freiheitspartei könnte immerhin zur zweitstärksten Partei aufsteigen.

Diesmal freilich ist die Ungewissheit so kurz vor der Wahl besonders groß, und angeblich sind bis zu 40 Prozent der Wähler noch unentschlossen. Eines scheint jedoch in Stein gemeißelt, wie Rutte in einem Tweet im Stil Wilders formuliert hat: „Es. Wird. Nicht. Geschehen.“ Er meint damit eine Koalition unter Beteiligung der Freiheitspartei Wilders'. Dies ist breiter Konsens unter den Parteien. Nur die Seniorenpartei hat ein Bündnis mit den Rechtspopulisten nicht ausgeschlossen. Nur einmal hatte Wilders seine Kooperationsbereitschaft signalisiert, als er die erste Rutte-Regierung geduldet hat.

Am wahrscheinlichsten erscheint darum eine Bestätigung Ruttes an der Spitze einer Koalition – am ehesten mit der linksliberalen D66 und den Christdemokraten. Der Regierungschef, der einmal in der Woche Hauptschülern in Den Haag einen Privatunterricht erteilt und einst im Ruf eines „Teflon-Premiers“ stand, gilt als charmant und pragmatisch. Seine Partei hat aber im Zuge eines Spar- und Reformprogramms viel an Unterstützung verloren.

Noch mehr kämpfen allerdings die Sozialdemokraten, Juniorpartner in der Koalition und zweitstärkste Fraktion, um die Wählergunst. In der Zeitung „Volkskrant‘‘ wirbt der blasse Spitzenkandidat Lodewijk Asscher nach Querelen an der Parteispitze um die Sympathien der Niederländer. Trotz der PR-Offensive ist der ,,Asscher-Effekt‘‘ ausgeblieben, die Sozialdemokraten müssen einen Absturz befürchten. Sie könnten auf einem Drittel der bisher 35 Mandate sitzen bleiben. Es droht das schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte.

Mann der Stunde ist dagegen JFK, der 30-jährige Spitzenmann der Grünen. Unter dieser Chiffre, die Assoziationen zu Kennedy weckt, firmiert Jesse Feras Klaver, den seine Anhänger ironisch „Jessias“ nennen. Mit seinen marokkanischen und indonesischen Wurzeln sowie einem Aussehen, das an den kanadischen Premier, Justin Trudeau, erinnert, steht Klaver für eine liberale Flüchtlingspolitik. Sein Versprechen, den „rechten Wind“ in Europa zu stoppen, verschaffte ihm bei seinen Wahlkundgebungen großen Zulauf. Auch den Grünen könnte unter Klaver, der sich geschickt als Anti-Wilders vermarktet, eine Regierungsbeteiligung winken.

Außenseiterposition für Wilders

Angesichts von bisher elf Parlamentsparteien wird die Regierungsbildung indes wohl die schwierigste seit Langem werden, und auf Rutte und Co. kommen Marathonverhandlungen zu. In dem Land, das keine Sperrklausel hat, genügten zuletzt bereits 60.000 Stimmen für ein Parlamentsmandat. Wilders wird dies aus der Warte des Außenseiters beobachten und versuchen, die etablierten Parteien vor sich herzutreiben. Damit war er bis dato erfolgreicher als an den Wahlurnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2017)

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