Trump und Merkel: Ein Treffen der Gegensätze

Erstes Rendezvous zwischen Donald Trump und Angela Merkel. Im Weißen Haus spannte sich der Bogen ihres Gesprächs vom Freihandel über die EU bis hin zu Wladimir Putin.
Erstes Rendezvous zwischen Donald Trump und Angela Merkel. Im Weißen Haus spannte sich der Bogen ihres Gesprächs vom Freihandel über die EU bis hin zu Wladimir Putin.(c) APA/AFP/SAUL LOEB (SAUL LOEB)
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Der Besuch der deutschen Kanzlerin im Weißen Haus markiert einen Wendepunkt der Nachkriegsgeschichte: Erstmals ist es Deutschland, das gegenüber den USA für offene Märkte ficht.

Washington. Mit steinernen Mienen traten US-Präsident Donald Trump und Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel am Freitag im Weißen Haus vor die versammelte internationale Presse, um wohlgeübte, bekannte Phrasen darzutun. Merkel dankte den USA für Marshallplan und Wiedervereinigung, Trump wiederholte seine Forderung, dass alle Nato-Mitgliedstaaten mehr Geld für ihre Verteidigung ausgeben sollten. „Ich bin kein Isolationist“, behauptete er, der „Amerika zuerst“ zur Parole seiner Regierung gemacht hatte; er sei für freien, aber eben fairen Handel, und Amerika werde in dieser Hinsicht von vielen Staaten unfair behandelt.

"Das ist Vielfalt"

„Das ist Vielfalt“, meinte Merkel auf eine Frage nach den tiefen charakterlichen Unterschieden zwischen ihr und Trump. Schon beim Fototermin vor dem Treffen war zu sehen, dass die beiden miteinander keinen so freundschaftlichen Umgang entwickeln werden wie sie es mit Trumps Vorgänger Barack Obama vor allem gegen Ende seiner Ära tat. Auf die Zurufe der Fotografen, einander die Hände zu schütteln, bot Merkel Trump einen Handschlag an, doch er reagierte nicht.
Die höflichen Worte der beiden Staatsführer vom Freitag waren das Eine, die feindselige Haltung der neuen US-Führungsriege gegenüber den deutschen Exportweltmeistern das Andere. Peter Navarro, der Leiter des von Trump neu geschaffenen National Trade Council, beschuldigt Deutschland seit Jahr und Tag der Wechselkursmanipulation und nennt den Euro „eine implizite Deutsche Mark“, die von Berlin bewusst billig gehalten werde, um deutsche Exporteure zu protektionieren.

Trumps handelspolitisches Credo, demzufolge der Rest der Welt die USA auf unfaire Weise austrickse und den amerikanischen Wohlstand absauge, beinhaltet auch Groll gegenüber den deutschen Autoherstellern. Warum sehe er auf der New Yorker Fifth Avenue so viele Mercedes, aber umgekehrt so wenige Chevrolets auf deutschen Straßen? Der Präsident hat BMW gezielt gedroht: Sollte der bayrische Autohersteller, der derzeit mehr Autos aus seiner Fabrik in Spartanburg, South Carolina, in die Welt exportiert als jeder US-Hersteller, einen Teil seiner Produktion nach Mexiko verlegen, würden diese Autos bei ihrer Einfuhr mit einem Strafzoll von 35 Prozent belegt.

Autos verkaufen, den Westen schützen

Die Pragmatikerin Merkel bemühte sich folglich darum, die Wogen zu glätten und Trump vom Nutzen offener Märkte und des freien Wettbewerbs zu überzeugen. Denn der oberflächlich betrachtet enorme Handelsbilanzüberschuss Deutschlands im Verhältnis zu den USA (im Jahr 2016 exportierte Deutschland netto um 49 Milliarden Euro mehr Waren und Dienstleistungen über den Atlantik) bedeutet nicht, dass sich die Deutschen auf Kosten der Amerikaner bereichern. Seit 1980 hatten die USA durchwegs ein Defizit in der Handelsbilanz – und am stärksten stieg es von 1983 bis 1987, als die US-Wirtschaft so schnell wuchs wie seit 50 Jahren nicht, gab Bernhard Mattes, Chef der US-Handelskammer in Deutschland, zu bedenken. Trump denkt in Nullsummenspielen, doch das deutsch-amerikanische Wirtschaftsverhältnis ist zu beiderseitigem Nutzen. Mehr als 255 Milliarden Euro haben deutsche Firmen per Ende 2015 in den Vereinigten Staaten investiert, mehr als doppelt so viel, wie US-Konzerne in ihre deutschen Niederlassungen gesteckt haben.

Jenseits dieses handelspolitischen Schwerpunkts ging es für Merkel in Washington um politisch Existenzielles. Erstmals in der Geschichte werden die USA von einem Präsidenten geführt, der für die Europäische Union bestenfalls Desinteresse und schlimmstenfalls Verachtung übrighat. Merkel trägt die schwere Last, die Grundsätze der freien, offenen Gesellschaften des Westens zu verteidigen. Trump erwähnte die EU am Freitag mit keinem Wort; aber immerhin zog er auch nicht öffentlich über sie her.

AUF EINEN BLICK

Transatlantisches Ungleichgewicht. Das erste Treffen von US-Präsident Donald Trump und der deutschen Kanzlerin, Angela Merkel, am Freitag in Washington war von dem großen wirtschaftlichen und politischen Ungleichgewicht zwischen den beiden führenden Nato-Partnern geprägt. Sowohl die deutschen Exporte in die USA als auch Direktinvestitionen deutscher Unternehmen sind mehr als doppelt so groß wie umgekehrt. Das widerstrebt der protektionistischen Gesinnung Trumps ebenso wie Deutschlands Bekenntnis zur Europäischen Union, für die Trump bestenfalls Desinteresse zeigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2017)

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