Verbrechen an Jesiden: „Wir brauchen internationalen Schutz“

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Die jesidische Sacharow-Preisträgerin Lamya Aji Bashar fordert in Wien mehr Hilfe für Nordiraks verfolgte Minderheit.

Wien. Sie war von den Extremisten des sogenannten Islamischen Staates (IS) verschleppt und misshandelt worden – weil sie einer religiösen Minderheit angehört, die der IS gemäß seiner bizarren Ideologie auslöschen will. Acht Monate lang befand sich die junge Jesidin Lamya Aji Bashar in der Hand ihrer Peiniger. Dann konnte sie flüchten. Trotz ihres Martyriums ließ sich Lamya Aji Bashar nicht brechen. Mittlerweile wurde sie zusammen mit ihrer Leidensgenossin Nadija Murad vom Europäischen Parlament mit dem Sacharow-Preis für geistige Freiheit 2016 ausgezeichnet und engagiert sich international für die Rechte der jesidischen Minderheit.

„Nach wie vor befinden sich 3500 jesidische Frauen und Kinder in der Hand des IS“, berichtet Lamya Aji Bashar am Montag in Wien. Die Sacharow-Preisträgerin trat im Haus der Europäischen Union bei einer Pressekonferenz mit dem Vizepräsidenten der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, Josef Weidenholzer, und dem Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger auf.

„Die Frauen und Kinder, die aus der Gefangenschaft zurück sind, befinden sich in einer sehr schwierigen Lage“, schildert Lamya Aji Bashar, die bei ihrer Flucht aus dem IS-Gebiet durch eine Mine im Gesicht schwer verletzt wurde. Viele der Geretteten leben in überfüllten Flüchtlingslagern in Nordiraks Kurdenregion.

„Es gibt dort kaum Schulen und keine gute Psychotherapie“, erzählt die 20-Jährige. Und viele Jesiden wagten sich nicht in ihre befreiten Dörfer zurück. Sie hätten nach dem IS-Angriff das Vertrauen verloren. „Wir brauchen daher in diesen Gebieten internationalen Schutz.“ Lamya Aji Bashar hofft, dass Österreich Jesiden aus dem Irak holt, um ihnen Zuflucht zu geben – so wie das etwa das deutsche Bundesland Baden-Württemberg getan hat.

„Es wird Zeit für ein Sonderprojekt für Jesiden“, sagt auch EU-Abgeordneter Weidenholzer. Kanada etwa habe beschlossen, 1800 Jesidinnen aufzunehmen. Für Weidenholzer braucht es zudem Gerechtigkeit: eine Bestrafung der Personen, die die Verbrechen an den Jesiden begangen haben, durch ein internationales Gericht. Und politische Autonomie für Jesiden und Christen im Nordirak. Davon sei man aber – so Weidenholzer – noch weit entfernt.

Politikwissenschaftler Schmidinger schildert die komplizierte politische Lage in den Jesidengebieten rund um die nordirakischen Sinjar-Berge. Dort sind zuletzt die Spannungen zwischen den diversen kurdischen Fraktionen gewachsen. „Die Gefahr besteht, dass innerkurdische politische Konflikte auf dem Rücken der Jesiden ausgetragen werden“, warnt Schmidinger. (w. s.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2017)

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