Britischer Außenminister sagt wegen Syrien-Politik Moskau-Besuch ab

Boris Johnson fordert ein koordiniertes Vorgehen.
Boris Johnson fordert ein koordiniertes Vorgehen.REUTERS
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Boris Johnson kritisiert Russland nach dem Giftgasangriff auf Khan Sheikhoun. Die USA schließen einen weiteren Militärschlag, wenn es "nötig ist" nicht aus.

Nach dem Angriff auf einen syrischen Luftwaffenstützpunkt haben die USA weitere Aktionen nicht ausgeschlossen. "Wir sind darauf vorbereitet, mehr zu unternehmen, aber wir hoffen, dass das nicht nötig sein wird", sagte die amerikanische UNO-Botschafterin Nikki Haley. Der syrische Präsident Bashar al-Assad dürfe nie wieder chemische Waffen einsetzen.

Als Reaktion auf den mutmaßlichen Giftgaseinsatz des syrischen Militärs vom Dienstag mit 84 Toten und 564 Verletzten hatte US-Präsident Donald Trump in der Nacht auf Freitag einen Luftwaffenstützpunkt mit Marschflugkörpern in dem Bürgerkriegsland angreifen lassen.

Das löste eine Krise mit Russland aus. Kremlchef Wladimir Putin verurteilte als Angriff auf die Souveränität Syriens. Russlands Verteidigungsministerium kündigte an, die syrische Luftabwehr zu verstärken. Assad nannte den Einsatz "rücksichtslos und unverantwortlich". US-Außenminister Rex Tillerson bezeichnete die russische Reaktion am Freitag als "sehr enttäuschend" und kritisierte, dass Moskau weiterhin die Regierung Assad unterstütze, "ein Regime, das solche schrecklichen Angriffe auf sein eigenes Volk ausführt".

Weitere Angriffe auf Khan Sheikhoun

Auch London legte Protest gegen das Vorgehen Moskaus im syrischen Bürgerkrieg ein: Der britische Außenminister Boris Johnson sagte am Samstag seinen geplanten Moskau-Besuch nach dem Giftgas-Einsatz ab. "Wir verurteilen, dass Russland das Assad-Regime auch nach dem Chemiewaffenangriff auf unschuldige Zivilisten weiter verteidigt", erklärte Johnson am Samstag. Ursprünglich wollte er am Montag nach Moskau reisen. Doch durch die jüngsten Entwicklungen in Syrien habe sich die "Lage grundlegend geändert".

Er konzentriere sich nun auf Beratungen mit den USA und anderen Ländern zur Vorbereitung des G7-Außenministertreffens am Montag und Dienstag in Italien, erklärte Johnson. Er rief die russische Regierung auf, "alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um eine politische Lösung in Syrien zu erreichen". Moskau müsse mit der internationalen Gemeinschaft zusammenarbeiten, um weitere Giftgasangriffe zu verhindern.

Über das Ausmaß der Schäden auf dem beschossenen Flugplatz gab es unterschiedliche Darstellungen. Nach Angaben von Beobachtern flogen syrische Kampfjets weniger als 24 Stunden nach dem Angriff des US-Militärs neue Luftangriffe von dort aus. "Zwei Suchoi-Maschinen sind am Freitag von der Luftwaffenbasis Al-Shayrat aufgestiegen und haben Luftangriffe in Gebieten östlich der Stadt Homs geflogen", erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Auch regierungsnahe Medien berichteten, dass Flugzeuge gestartet und gelandet seien.

Auch Khan Sheikhoun, das am 4. April nach US-Angaben von dem Stützpunkt in Shayrat mit Giftgas attackiert worden war, wurde am Samstag erneut bombardiert. Augenzeugen berichten von einer Toten und einer weiteren verletzten Person.

USA untersuchen russische Beteiligung an Chemiewaffeneinsatz 

Das Pentagon prüft, ob Russland an der Vorbereitung oder Durchführung des Angriffs beteiligt war. "Wir haben derzeit keine Kenntnisse über eine russische Beteiligung, aber wir untersuchen das", sagte ein Vertreter, der nicht namentlich zitiert werden wollte. Das Mindeste, was Moskau vorzuwerfen sei, sei, dass es den Angriff nicht verhindert habe.

Das US-Militär geht davon aus, dass sich bis zu 100 russische Militärangehörige auf dem Flugplatz befanden. Das Pentagon hatte Moskau im Voraus über den Angriff informiert. Laut dem Russland-Experten Gerhard Mangott hätte Moskau die US-Marschflugkörper mit den eigenen Luftabwehrraketen zumindest teilweise abfangen können. Der US-Angriff habe Russland "bloßgestellt", weil er gezeigt habe, dass seine Präsenz eine westliche Intervention nicht abschrecken könne, sagte Mangott am Freitagabend am "Runden Tisch" des ORF.

Die US-Regierung vollzog mit dem Angriff  zumindest kurzfristig eine zweite Kehrtwende in der Syrien-Politik. Noch in der vergangenen Woche hatte US-Außenminister Tillerson gesagt, Assads Schicksal werde vom syrischen Volk bestimmt. Das war eine Abkehr von der Linie der Vorgängerregierung unter Barack Obama, die den Sturz Assads forderte.

Iran fordert unabhängige Untersuchung

Der Iran, gemeinsam mit Russland der engste Verbündete und militärische Unterstützer des syrischen Machthabers Bashar al-Assad, hat unterdessen eine unabhängige Untersuchung des Giftgaseinsatzes vom Dienstag gefordert. Es müsse ein unparteiisches Gremium eingesetzt werden, um herauszufinden, vom wem diese Chemiewaffen in dem Bürgerkriegsland stammten, sagte Präsident Hassan Rouhani, der US-Präsident Donald Trump der Unterstützung von "Terroristen" in Syrien bezichtigte, ohne diesen direkt beim Namen zu nennen. In einer vom Staatsfernsehen Irib übertragenen Rede sagte Rouhani am Samstag, "dieser Herr", der in den USA an der Macht sei, habe vorgegeben, "den Terrorismus bekämpfen zu wollen".

International gab es viel Zuspruch für den US-Angriff, beteiligen wollen sich die europäischen Verbündeten aber nicht an möglichen weiteren Militärschlägen gegen Assad. Die in Syrien aktiven Tornado-Aufklärungsflugzeuge würden nur im Kampf gegen den IS eingesetzt, betonte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Freitagabend. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn warnte gegenüber der "Welt" (Samstagsausgabe) vor einer Involvierung der NATO. "Die NATO darf nach dem US-Luftangriff auf keinen Fall in den Syrien-Konflikt hineingezogen werden. Das wäre verheerend", sagte er.

(APA/dpa/AFP)

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