Venezuela: Gummigeschosse und Gas gegen Opposition

Straßenschlacht in Caracas
Straßenschlacht in Caracas(c) imago/Agencia EFE (MIGUEL GUTIERREZ)
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Bürger forderten am Wochenende auf landesweiten Märschen die Abhaltung freier Wahlen. Der Druck der Behörden gegen den Anführer der Protestbewegung, Henrique Capriles, nimmt ebenfalls zu.

Buenos Aires/Caracas. Ist es ein weiteres vergebliches Anrennen? Oder kann Venezuelas Opposition die zunehmend diktatorisch agierende Regierung doch noch in die Knie zwingen? Am Wochenende verlangten Bürger auf 51 Protestmärschen im ganzen Land die Abhaltung freier Wahlen. Ende 2016 hätten die Gouverneure der Bundesstaaten gewählt werden sollen, doch, konfrontiert mit einer deutlichen Niederlage, hat die Regierung die Urnengänge auf unbestimmte Zeit verschieben lassen. In der Hauptstadt, Caracas, vollzog die Regierung ein seit Jahren praktiziertes Protokoll. Schon Stunden vor dem Beginn des Marschs im wohlhabenderen Osten der Stadt hielt dort die U-Bahn nicht mehr. Mit Straßensperren hinderten die Behörden Tausende an der Teilnahme. Dennoch marschierten Zehntausende in Richtung Innenstadt. Auf einer Stadtautobahn stoppten Polizei und Nationalgarde den Marsch. Doch anders als bei Demonstrationen der vergangenen Jahre ließen sich viele Protestierende nicht aufhalten und wichen in die Seitenstraßen aus, wo es zu stundenlangen Straßenschlachten mit Sicherheitsbehörden, aber auch paramilitärischen regierungstreuen Verbänden kam. Dabei setzten die Verbände rot gefärbtes Gas ein, das offenbar von erhöhter Toxizität war. „Die Leute brechen zusammen“, schrieb der oppositionelle Stadtteilbürgermeister David Smolansky auf Twitter. Amnesty International forderte die Regierung auf, die Inhaltsstoffe des Gases offenzulegen. 

Angriff auf Büro von Oppositionsführer

Am Nachmittag griffen Verbände von Nationalgarde und Polizei mit Tränengas und Gummigeschossen ein Büro des Oppositionsführers Henrique Capriles an, der zu diesem Zeitpunkt anwesend war, sich aber in Sicherheit bringen konnte. In den Räumen brach daraufhin Feuer aus, das gelöscht werden konnte. In der Nacht zum Sonntag untersuchte ein Großaufgebot der Polizei die Räume, angeblich zur Ausforschung der Vorgänge am Nachmittag. Doch Capriles' Umfeld suggeriert andere Motive. „Die wollen unserem Gouverneur einen Toten anhängen“, sagte der Abgeordnete Carlos Paparoni, der vermutete, dass die Polizisten womöglich Material „gefunden“ hätten, das sie selbst mitgebracht hatten.

Am Donnerstagabend war ein junger Oppositionsanhänger erschossen worden, offenbar von einem Polizisten des Staates Miranda, dessen Gouverneur Capriles seit 2008 ist. Am Freitag ist Capriles von einer Regierungsstelle das passive Wahlrecht für 15 Jahre abgesprochen worden, weil es in seinem Bundesstaat zu finanziellen Unregelmäßigkeiten gekommen sein soll, was Capriles vehement bestreitet. Der 44-Jährige, der die Präsidentenwahl 2013 nur knapp verlor, hat lang versucht, die angeschlagene Regierung im Rahmen der Verfassung aus dem Amt zu hieven. Doch nachdem die Regierung mithilfe willfähriger Richter sämtliche demokratischen Kanäle verstopfte, zog auch Capriles auf die Straße und wurde zum Führer der Opposition. Gegen das Politikverbot werde er Rechtsmittel anwenden. Man rechnet mit weiteren Demonstrationen. Den 19. April hat die Opposition zum nationalen Protesttag ausgerufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2017)

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