Wahlbeschwerde abgelehnt

Wahlkommission lehnt in einer ersten Entscheidung die Annullierung des Referendums ab. Ankara weist OSZE-Kritik zurück.

Ankara. Die türkische Wahlkommission (YSK) hat eine Beschwerde der kemalistisch-säkularen CHP abgelehnt: Die Partei wollte die Annullierung des Referendums vom Sonntag. Bei dem Plebiszit waren 51,4 Prozent der Stimmberechtigten für die Einführung des Präsidialsystems und folgten somit den Vorschlägen der regierenden AKP. Die Wahlkommission lehnte am Mittwoch jenen Teil der Beschwerde ab, wonach das Referendum annulliert und wiederholt werden sollte.

Die Sprecherin der CHP, Selin Sayek Böke, bekräftigte erst am Vormittag die Vorwürfe über Manipulationen. „Wir erkennen das Ergebnis nicht an“, sagte Sayek Böke. Die Partei denke über alle Möglichkeiten nach, etwa den Auszug aus dem Parlament. Allerdings haben andere CHP-Vertreter die Aussage Sayek Bökes gleich relativiert: Derzeit stehe kein Auszug an. Die YSK muss sich unterdessen auch mit der Beschwerde der prokurdischen HDP auseinandersetzen, die ebenfalls die Annullierung des Referendums fordert. Umstritten war der Beschluss der Kommission am Wahltag, offiziell nicht zugelassene Wahlunterlagen in das Endergebnis einfließen zu lassen. Kritik über den Ablauf des Referendums übte auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der türkische Außenminister, Mevlüt Çavuşoğlu, wies deren Bericht als „extrem parteiisch“ zurück.

AKP-Gegner sehen mit dem Ja den Weg in ein autoritäres Regime unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan geebnet. Er selbst sagte dem Sender CNN, dass von einer Diktatur nicht die Rede sein könne, schließlich hätte die Bevölkerung an der Wahlurne entschieden. Im neuen System wird Erdoğan mehr Machtbefugnisse haben. Aber die Präsidialrepublik sei nicht auf seine Person zugeschnitten: „Das ist kein System, das Tayyip Erdoğan gehört. Ich bin sterblich, ich könnte jeden Moment sterben.“ (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Der türkische Präsident Erdogan will weiter mit der EU zusammenarbeiten.
Europa

Erdogan will Bemühungen um EU-Beitritt der Türkei fortsetzen

In einer Erklärung zum Europatag warnte der türkische Präsident vor zunehmender Islamfeindlichkeit und wachsendem Rassismus in Europa.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker
Europa

Juncker warnt Türkei vor Todesstrafe

"Wenn aus der Einführung der Todesstrafe mehr als Rhetorik würde, wäre das ganz klar eine Absage der Türkei an die europäische Familie", sagt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Martin Schulz wird bei den Wahlen gegen Angela Merkel antreten.
Außenpolitik

Schulz gegen türkisches Todesstrafen-Referendum in Deutschland

Man dürfe in Deutschland nicht über ein Instrument abstimmen lassen, das den deutschen Werten und der Verfassung widerspreche, sagt der Kanzlerkandidat.
Bereits seit neun Monaten regiert Präsident Recep Tayyip Erdoğan die krisengeschüttelte Türkei per Dekret.
Außenpolitik

Mehr Epilation, keine Kuppelshows: Erdoğan pflastert Weg mit Dekreten

Viele Erlasse des türkischen Präsidenten haben mit Terrorbekämpfung nichts zu tun. Erdoğan dürfte so lange per Dekret regieren, bis die Präsidialrepublik kommt.
Erdogan wurde am Montag in Neu Delhi der Ehrendoktor-Titel einer muslimischen Universität verliehen.
Europa

Erdogan stellt EU Ultimatum für Beitrittsverhandlungen

Der türkische Präsident drängt auf Fortschritte im Beitrittsprozess, sonst werde sich die Türkei von der EU abwenden. Erdogan fordert die EU auf, ihre Versprechen einzuhalten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.