Verhängnisvolle Moskau-Ermittlungen

Der „blaue Brief“ an FBI-Direktor Comey: Präsident Trump „terminiert“ ihn mit sofortiger Wirkung aus allen Ämtern.
Der „blaue Brief“ an FBI-Direktor Comey: Präsident Trump „terminiert“ ihn mit sofortiger Wirkung aus allen Ämtern.(c) APA/AFP/MANDEL NGAN (MANDEL NGAN)
  • Drucken

Der Präsident verteidigt den Rauswurf des FBI-Chefs: Comey habe „keinen guten Job“ gemacht. Doch der Ruf nach Sonderuntersuchungen zur Klärung von Trumps Russlandkontakten wird lauter.

Washington. In seinen fast vier Monaten im Amt hat US-Präsident Donald Trump das Establishment in Washington schon so manches Mal geschockt. Aber nichts reicht an die Druckwelle der politischen Bombe heran, die Trump mit der überraschenden Entlassung von FBI-Chef James Comey gezündet hat.

Einige Politiker in der US-Hauptstadt sprechen von einer Verfassungskrise. Die Frage, ob Trump mit Comeys Rauswurf peinliche Enthüllungen über Kontakte zu Russland vertuschen will, stellt sich auch für Parteifreunde des Präsidenten immer dringender, das Wort „Amtsenthebungsverfahren“ macht die Runde. Die Suche nach einem neuen Leiter der Bundespolizei dürfte in dieser vergifteten Atmosphäre sehr schwierig werden.

„Hiermit sind Sie mit sofortiger Gültigkeit entlassen und des Amtes enthoben“, schrieb Trump am Dienstag in einem Brief an Comey. Und er legte am Mittwochabend nach. Warum er Comey entlassen habe? „Weil er keinen guten Job gemacht hat. Ganz einfach.“

Offiziell begründet die Regierung den Rausschmiss mit Comeys Verhalten bei Nachforschungen wegen der Nutzung eines privaten E-Mail-Servers durch Ex-Außenministerin und Trump-Rivalin Hillary Clinton. Vor wenigen Tagen hatte Trump dem FBI-Chef vorgeworfen, Clinton mit dem Verzicht auf strafrechtliche Ermittlungen einen Freibrief ausgestellt zu haben. Dass es bei der Entlassung tatsächlich um Comeys Vorgehen im Fall Clinton ging, glaubt aber niemand.

Mehr Geld für Ermittlungen

Die Blicke richten sich auf die FBI-Ermittlungen wegen möglicher Verbindungen zwischen Trumps Team im Präsidentschaftswahlkampf voriges Jahr und Russland. Das FBI ist so wie andere Geheimdienste zu dem Schluss gelangt, dass russische Hacker im Auftrag des Kreml versuchten, den US-Wahlkampf zugunsten Trumps zu beeinflussen.

Daher seien E-Mails aus dem Lager Clintons an die Öffentlichkeit gebracht worden. Die Frage, ob Trumps Helfer davon wussten oder gar mithalfen, soll in den laufenden Ermittlungen geklärt werden. Noch vorige Woche soll Comey das Justizministerium um mehr Geld für die Nachforschungen gebeten haben – was jetzt bei Trumps Kritikern als weiterer Hinweis dafür gilt, dass mit der Entlassung des FBI-Chefs etwas vertuscht werden soll.

Ruf nach Amtsenthebung

Für Trump ist die angebliche Russland-Connection ernster denn je. Schon werden wenig schmeichelhafte Vergleiche zwischen ihm und Richard Nixon gezogen, der wegen der Watergate-Affäre gehen musste.

Trumps Gegner sehen eine ähnliche Entwicklung auf den derzeitigen Präsidenten zukommen. Oppositionspolitiker und Prominente wie der Schriftsteller Stephen King forderten den Kongress auf, das Verfahren zur Amtsenthebung einzuleiten. Der demokratische Senator Brian Schatz sprach von einer „ausgewachsenen Verfassungskrise“, die durch Comeys Rausschmiss ausgelöst worden sei.

Schon vor dem Comey-Erdbeben war das Weiße Haus in der Defensive, weil Trumps erster Sicherheitsberater Michael Flynn laut neuen Erkenntnissen auf den hohen Posten berufen wurde, obwohl er bei der Regierung als Lügner bekannt war. Flynn wurde im Februar erst entlassen, als seine Lügen – ebenfalls im Zusammenhang mit Russland – an die Öffentlichkeit kamen. Zudem ließ Trump einen New Yorker Staatsanwalt feuern, der unter anderem für das Trump'sche Familienunternehmen in Manhattan zuständig war.

Im Kongress wird nun der Ruf nach Einsetzung eines unabhängigen Sonderermittlers für die Akte Russland lauter. Senator John McCain, prominentester Trump-Gegner bei den Republikanern, sprach von einer neuen „Dringlichkeit“ bei der Berufung eines Ermittlers.

Das wachsende Misstrauen gegenüber der Trump-Regierung dürfte die Suche nach einem Comey-Nachfolger schwer machen. Trump kann den FBI-Chef zwar auf eigene Faust entlassen, doch bei der Bestellung eines neuen Behördenleiters ist er auf die Zustimmung des Senats angewiesen, wo es derzeit so rumort.

Wer wird Nachfolger?

Trump-Freunde wie der Gouverneur von New Jersey Chris Christie oder der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani dürften im Senat keine Chance haben. Als aussichtsreichere Kandidaten gelten der frühere New Yorker Polizeichef Ray Kelly und Mike Rogers, ein früherer Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus. Beiden wird zugetraut, die Russland-Ermittlungen auch gegen den Willen des Präsidenten weiter zu verfolgen, wenn es genügend Verdachtsmomente gibt.

Eine solche Eigenständigkeit ist womöglich ein Charakterzug, den Trump beim nächsten FBI-Chef nicht sehen will. Comeys Nachfolger werde „einen viel besseren Job machen“, warnte er auf Twitter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.