Das „westliche Modell der Globalisierung” habe ausgedient, und ein „beträchtlicher Teil der Welt” habe sowieso genug davon.
Budapest. Viktor Orbán erwies sich in China als besonders höflicher Gast. Zugleich nützte Ungarns Ministerpräsident seine Peking-Reise für eine Polemik gegen den Westen, seinen Lieblingsfeind. Er zeichnete das Bild, wonach der arrogante, besserwisserische Westen im Niedergang sei und vom dynamischeren Osten überholt werde. Orbán nahm – wie Russlands Präsident Putin, der türkische Staatschef Erdoğan oder der weißrussische Diktator Alexander Lukaschenko – am Seidenstraßengipfel teil.
„One belt – one road” heißt das Prestigeprojekt der Chinesen, in das sie Milliardensummen investieren wollen. In Ungarn kaufen chinesische Investoren derzeit Unternehmen auf, um es zu einer Logistik-Drehscheibe für die Einfuhr chinesischer Waren in die EU aufzurüsten. Dafür soll unter anderem die Bahnverbindung über den Balkan modernisiert werden.
Lehrer und Schüler
Die Welt stehe an der Schwelle einer epochalen Zäsur, sagte Orbán. Das „westliche Modell der Globalisierung” habe ausgedient, und ein „beträchtlicher Teil der Welt” habe sowieso genug davon. Der Westen teile die Welt in zwei Lager: „Lehrer und Schüler“. Die „Schüler“ – der größere Teil der Welt – seien es leid, von einigen entwickelten Ländern über demokratische Standards, Menschenrechte und Marktwirtschaft belehrt zu werden, erklärte er.
Dem „arroganten westlichen Modell” hielt Orbán Chinas neue Seidenstraße als sympathischeres Globalisierungsmodell entgegen, da es ohne Belehrungen auskomme. Er lobte auch Erdoğan als Garanten der Stabilität in der Region und in der Flüchtlingskrise. Inzwischen habe der Osten „zum Westen aufgeschlossen”, sagte er. Geld, Technologie, Wissen und Profit konzentrierten sich nicht mehr im Westen, sondern immer mehr im Osten und flössen von dort in den Westen. Am ungarischen Beispiel sei dies sichtbar: Chinesische Firmen kaufen die Töchter westlicher Konzerne auf. (kal)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2017)