Im Irak und in Syrien wird der IS zusehends zurückgedrängt. Die afghanische Regierung beobachtet mehr und mehr ausländische Kämpfer im Land. Die USA sind skeptisch.
Der jüngste Anschlag auf die irakische Botschaft in Kabul schürt Sorgen, dass die IS-Miliz nach Niederlagen in Syrien und Irak zunehmend Afghanistan ins Visier nimmt. Auch zu dem schweren Anschlag vom Dienstag auf eine schiitische Moschee in Westafghanistan hatte sich der IS laut eigener Nachrichtenagentur Amaq bekannt. Dabei wurden rund 50 Menschen getötet und 80 verletzt. Der Angriff auf einen Nato-Konvoi in Kandahar am Mittwoch geht allerdings auf das Konto der islamistischen Konkurrenz in Afghanistan, der Taliban.
Eindeutige Belege dafür gibt es bisher kaum, doch die Regierung in Kabul ist alarmiert: "Wir sehen dieses Jahr mehr neue Waffen in den Händen der Aufständischen und einen Anstieg der Zahl ausländischer Kämpfer", sagt der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Dawlat Wasiri. Die Sicherheitskräfte schätzen, dass etwa 7000 Ausländer für den "Islamischen Staat" (IS) und die radikalislamischen Taliban in Afghanistan kämpften.
Die meisten von ihnen kommen demnach wie schon seit Jahren aus den Nachbarländern Pakistan, Usbekistan und Tadschikistan. Aber es wird befürchtet, dass mit dem zunehmenden Druck auf den IS in Syrien und im Irak auch immer mehr Kämpfer aus arabischen Staaten über den Iran nach Afghanistan gelangen. "Wir reden hier nicht von einfachen militanten Kämpfern. Wir reden von Tausenden in Schlachten gehärteten, gebildeten und professionellen Kämpfern", sagt ein Vertreter des Sicherheitsapparats. "Sie sind gefährlicher, weil sie hier Kämpfer und Fußsoldaten leicht rekrutieren können und dies auch tun werden." Nach Wasiris Angaben werden die Ausländer an vorderster Front eingesetzt, weil sie erfahrene Kriegsveteranen sind.
Wie stark ist der IS in Afghanistan?
Unklar ist, wie groß der IS am Hindukusch ist. Die afghanischen Geheimdienste gehen davon aus, dass die Gruppe in neun der mehr als 30 Provinzen präsent ist. Schwerpunkt ist Nangarhar im Osten. Zusammen mit den afghanischen Sicherheitskräften wurde der IS nach Angaben der US-Streitkräfte allerdings im Verlauf des vergangenen Jahres durch Drohnen und Spezialeinsatzkräfte erheblich geschwächt.
Umstritten ist zudem, wie stark der Zulauf von Kämpfern aus Syrien und dem Irak ist. Auch ist noch nicht belegt, ob der vom IS für sich reklamierte Anschlag auf die irakische Botschaft am Montag tatsächlich auf das Konto der Gruppe geht. Wie bei vielen anderen Anschlägen will der IS auch angesichts der Rückschläge wie in Mossul offensichtlich den Eindruck schüren, dass er ausländische Kämpfer für sich gewinnt. Ein Anführer der Islamisten in Nangarhar erklärte etwa: "Unsere Brüder stammen zu hunderten aus verschiedenen Ländern."
Der Befehlshaber der Nato-Truppen in Afghanistan, John Nicholson, räumte im April zwar ein, dass die Gruppe Kämpfer aus Syrien einschleusen wolle. Aber: "Bisher sehen wir nicht, dass das passiert." Dennoch erwägen die USA, ihr Truppenkontingent in dem Land aufzustocken. Sie wollen gewährleisten, dass Afghanistan nicht erneut zu einem Rückzugsgebiet für ausländische Extremisten wird.
(APA/Reuters)