Die Kriegsverbrecherjägerin aus der Schweiz gibt auf

Carla del Ponte legt ihr Amt zurück.
Carla del Ponte legt ihr Amt zurück.(c) APA/AFP/FABRICE COFFRINRINI
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Als Chefanklägerin des UN-Tribunals für Ex-Jugoslawien bereitete Carla Del Ponte vielen Regierungspolitikern in Südosteuropa schlaflose Nächte. Damals konnte sie die politische Macht der USA und der EU als Druckmittel einsetzen. In Syrien war ihr Job komplizierter.

Wien/Genf. Die Bilanz, die Carla Del Ponte zieht, ist ernüchternd: Die Verbrechen im Syrien-Krieg seien noch schlimmer als die, die in Jugoslawien oder Ruanda verübt worden seien, sagte die Schweizer Juristin. Und sie erklärte, von ihrem Posten in der UN-Untersuchungskommission zu Syrien zurückzutreten. Schuld daran sei der UN-Sicherheitsrat: Dort gebe es keinen Willen, die Untaten in Syrien strafrechtlich zu verfolgen.

Es gab tatsächlich Zeiten, in denen es Del Ponte bei ihrer Jagd auf Kriegsverbrecher leichter hatte. Nachdem sie sich in der Schweiz als Bundesanwältin mit – medial geschickt inszenierten – Ermittlungen wegen organisierter Kriminalität einen Namen gemacht hatte, wurde sie 1999 Chefanklägerin der UN-Tribunale für Ex-Jugoslawien und Ruanda. Der UN-Sicherheitsrat hatte die Einrichtung der Strafgerichtshöfe Anfang der 1990er-Jahre beschlossen. Damals war bei den Großmächten unumstritten, dass die Verantwortlichen für den Völkermord im ostafrikanischen Ruanda 1994 bestraft werden sollten. Und Ähnliches galt damals auch für die Kriegsverbrecher Ex-Jugoslawiens.

Den Posten der Chefanklägerin für Ruanda musste Del Ponte später aufgrund von Änderungen in der Organisationsstruktur der Tribunale abgeben. Ihre Aktivitäten galten aber ohnehin vor allem der Verfolgung von Kriegsverbrechern auf dem Balkan. In den ersten Jahren des Jugoslawien-Tribunals wurden nur weniger prominente Verdächtige vor das in Den Haag tagende Gericht gestellt. Nach dem Sturz des serbischen Machthabers Slobodan Milošević im Oktober 2000 sah Del Ponte die Gelegenheit gekommen, auch größere Fische zu erwischen. In Serbien wurden die Stimmen lauter, die eine Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit forderten. Zugleich benötigte das wirtschaftlich darniederliegende Land internationale Gelder. Und Del Ponte genoss damals die Unterstützung der USA und der EU, um politischen Druck ausüben zu können.

Im Jänner 2001 stellte sich die einstige Spitzenpolitikerin der bosnischen Serben, Biljana Plavšić. Kurz danach ließ der später ermordete serbische Premier Zoran Djindjić den früheren Machthaber Milošević ausliefern. 2006 starb Milošević jedoch im Untersuchungsgefängnis des UN-Tribunals – noch bevor das Gericht ein Urteil fällen konnte.

Freisprüche und späte Auslieferungen

Del Ponte war unermüdlich unterwegs, um die Regierenden zur Auslieferung Verdächtiger zu bewegen. Der Wunsch der Balkanstaaten, sich der EU anzunähern, diente ihr bei den harten Verhandlungen als Druckmittel. 2005 wurde der von ihr gejagte kroatische General Ante Gotovina verhaftet, 2012 aber freigesprochen. Der von ihr angeklagte bosniakische Ex-Kommandant von Srebrenica, Naser Orić, wurde nach kurzer Haft entlassen, einen Freispruch gab es auch für den kosovoalbanischen Ex-Feldkommandeur Ramush Haradinaj. Die einstigen Anführer der bosnischen Serben, Radovan Karadžić und General Ratko Mladić, wurden erst gefasst, nachdem die Chefanklägerin 2007 ihr Amt niedergelegt hatte.

Schon als Chefanklägerin des Jugoslawien-Gerichtshofs hatte die Schweizerin mehr internationale politische Unterstützung gefordert. Bei Syrien blieb diese weitgehend aus. Die Kommission, der sie den Rücken kehrt, soll Informationen über Kriegsverbrechen sammeln. Dass der UN-Sicherheitsrat den Internationalen Strafgerichtshof einschaltet, um die Untaten zu verfolgen, ist derzeit aber wenig wahrscheinlich. Russland, der Waffenbruder des syrischen Machthabers, Bashar al-Assad, würde das nicht zulassen. Und auch bei den USA, die Teile der Aufständischen gegen Assad unterstützen, ist das Interesse daran gering.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2017)

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