„Barzani hat einen Staatsstreich durchgeführt“

Im Traum vom eigenen Staat sind sich die meisten Kurden einig, doch um den Weg dorthin wird noch gestritten.
Im Traum vom eigenen Staat sind sich die meisten Kurden einig, doch um den Weg dorthin wird noch gestritten.APA/AFP/SAFIN HAMED
  • Drucken

Birzo Majeed von der Oppositionspartei Gorran fordert eine bessere Vorbereitung des Unabhängigkeitsreferendums. Und er übt scharfe Kritik am Präsidenten der Kurdenregion.

Die Presse: Ihre Partei Gorran ist äußerst skeptisch bezüglich des Unabhängigkeitsreferendums für Kurdistan am 25. September. Warum? Sind Sie gegen einen Kurdenstaat?

Birzo Majeed: Ganz im Gegenteil: Die Unabhängigkeit ist der Traum der kurdischen Nation. Das kurdische Volk musste in der Vergangenheit viele Kämpfe führen. Wir haben für unsere Rechte gestritten und alle Regime im Irak haben uns unsere Rechte verwehrt. Die Unabhängigkeit Kurdistans ist unser Traum. Aber dieser wichtige Prozess muss auf dem richtigen Weg durchgeführt werden.

Was meinen Sie damit?

Die Demokratische Partei Kurdistans (PDK) von Massud Barzani hat zusammen mit der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) diesen Prozess illegal gestartet. Sie benutzen dieses Referendum nur für ihre eigenen politischen Interessen. Wir als Gorran-Bewegung wollen, dass das alles mit einem ordentlichen Zeitplan durchgeführt wird. Wir brauchen erst Einigkeit in der kurdischen Gesellschaft und zwischen den kurdischen Parteien. Und dann brauchen wir dafür ein Gesetz, das vom legitimen kurdischen Parlament erlassen wird.

Aber das Parlament der Kurdenregion ist ja erst vor einigen Tagen erstmals seit zwei Jahren wieder zusammengetreten. Ihre Partei war dagegen, warum?

Wir sind die zweitstärkste Partei im Parlament. Und wir haben immer verlangt, dass das kurdische Parlament wieder zusammentritt – aber in seiner rechtmäßigen Form. Das bedeutet, dass der legitime Sprecher des Parlaments, Yusuf Mohammed Sadiq, in sein Amt zurückkehrt. Er gehört unserer Bewegung an. Und er wurde vor zwei Jahren außerhalb jedes Gesetzes und jeder Moral von Barzani und seiner Partei daran gehindert, in die Hauptstadt Erbil einzureisen. Sie haben mit ihren Kämpfern verhindert, dass der Parlamentspräsident seine Arbeit macht und sie haben unsere Minister aus der Regierung geworfen. Barzanis Amtszeit als Präsident der Kurdenregion ist bereits im August 2015 ausgelaufen. Und wir haben im Parlament an einer Modifizierung des Präsidentenamtes gearbeitet. Deshalb haben Barzani und seine Partei einen Staatsstreich gegen das Parlament durchgeführt.

Birzo Majeed.
Birzo Majeed.Die Presse/Wieland Schneider

Barzanis Argument für sein Verbleiben im Amt war, dass vor einem Wechsel der Kampf gegen die Jihadisten des sogenannten Islamischen Staates IS beendet werden muss. Barzani hat gesagt, dass in einer so wichtigen Phase die Stabilität Kurdistans gewahrt werden müsse.

In viele Ländern der Welt hat es auch in den Zeiten des Krieges einen ordentlichen Wahlprozess und Machtwechsel gegeben. Barzani hat den Posten des Präsidenten derzeit illegal inne. Deshalb haben wir von Gorran nun auch nicht an der Parlamentssitzung teilgenommen. Sie ist aus unserer Sicht illegal.

Wie geht es nach dem Tod von Nechirvan Mustafa, dem charismatischen Gründer von Gorran weiter? Es gibt Gerüchte, die Bewegung könnte sich spalten.

Das wird nicht passieren. Wir organisieren unsere Strukturen neu. Und wir versuchen, das Programm von Nechirvan Mustafa weiterzuführen. Wir werden uns in unserer täglichen Arbeit immer an seine Ideen erinnern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.