Die FDP will sich "nicht in Regierung zwingen" lassen

Nicole Beer, Christian Lindner und Wolfgang Kubicki bereiten sich auf Koalitionsgespräche vor.
Nicole Beer, Christian Lindner und Wolfgang Kubicki bereiten sich auf Koalitionsgespräche vor.APA/AFP/JOHN MACDOUGALL
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FDP-Chef Lindner fordert einen spürbaren Politikwechsel. CDU, SPD und Grüne seien "ununterscheidbar" geworden. Man gehe "gelassen" in Koalitionsgespräche.

Der deutsche Liberalenchef Christian Lindner hält den Eintritt seiner Partei in eine "Jamaika"-Koalition mit Union und Grünen nur bei einem spürbaren Politikwechsel in Deutschland für möglich. "Wir wollen die Richtung der Politik verändern", sagte Lindner am Montag in Berlin.

"Wir lassen uns nicht in eine Regierung zwingen, deren politische Koordinaten wir nicht gutheißen können." Wenn eine neue Regierung "nur mit anderen Farben" das gleiche wie die Große Koalition mache, "wäre das ein Wählerbeschaffungsprogramm für Protestparteien". Union aus CDU/CSU, SPD und Grüne seien in wesentlichen Punkten "ununterscheidbar" geworden und hätten die politische Mitte geräumt. Diese Lücke wolle die FDP als "Partei der vernünftigen Argumente" füllen.

Lindner signalisierte Gesprächsbereitschaft für eine "Jamaika"-Koalition. Die Liberalen seien "selbstverständlich bereit zur Übernahme von Verantwortung". Mögliche Gemeinsamkeiten mit den Grünen sieht er dabei bei der Reform des Bildungsföderalismus, der Frage bürgerlicher Freiheitsrechte und bei Investitionen in den Ausbau des Glasfasernetzes für schnelles Internet.

Die FDP pocht auf ihre zehn "Trendwenden"

Erneut verwies der FDP-Vorsitzende allerdings auf die zehn "Trendwenden für Deutschland", die seine Partei als Messlatte für eine mögliche Regierungsbeteiligung formuliert hatte. "Es hat sich nichts geändert", sagte er. "Daran fühlen wir uns nach der Wahl auch gebunden." Wenn die FDP keinen Richtungswechsel bewirken könne, dann werde die Partei Wählern eine "seriöse, bürgerliche, staatstragende Adresse auf der Oppositionsbank" geben.

Lindner hob hervor, alle zehn Trendwenden seien "gleichberechtigt". Unter anderem stellt sich die FDP in der Europapolitik gegen die Umwandlung der Eurozone in eine "Transferunion" mit einem gemeinsamen Budget. Die FDP werde keinem Budget der Eurozone zustimmen, der zu einem Finanzausgleich in Europa werde. Die europäischen Verträge müssten zudem so geändert werden, dass die Mitgliedschaft in der EU nicht automatisch erlösche, wenn ein Land aus der Eurozone austrete. Außerdem fordern die Liberalen Steuersenkungen in zweistelliger Milliardenhöhe sowie ein Einwanderungsgesetz, das zwischen einem "vorübergehenden humanitären Schutz für Flüchtlinge" und qualifizierter Zuwanderung in den Arbeitsmarkt unterscheidet.

Pariser Klimaziele

Zum Knackpunkt einer Zusammenarbeit mit den Grünen könnte die Umweltpolitik werden: Während die Ökopartei ein Ende des Verbrennungsmotors bis 2030 fordert, lehnen die Liberalen Verbote von Dieselautos und Benzinern strikt ab. Lindner betonte, die FDP stehe zu den Pariser Klimazielen. Unterschiede zu den Grünen gebe es aber bei den Wegen, um diese Ziele zu erfüllen. Statt staatlicher Subventionen wolle seine Partei die Ziele mit marktwirtschaftlichen Instrumenten erreichen.

Generalsekretärin Nicola Beer sagte, dass die FDP die Koalitionsgespräche "in aller Ruhe und Gelassenheit" angehen werde. Mit öffentlichen Äußerungen werde sich die Partei zurückhalten, um eine vertrauensbildende Atmosphäre zu schaffen.

Personalrochaden

Die FDP war am Sonntag mit 10,7 Prozent in den Bundestag zurückgekehrt. Am Montagnachmittag hielten die Liberalen als erste Partei die konstituierende Sitzung ihrer Fraktion ab. Lindner wurde dabei einstimmig zum Fraktionsvorsitzenden gewählt.

Zum ersten Parlamentarischen Geschäftsführer wurde der bisherige FDP-Bundesgeschäftsführer Marco Buschmann gewählt, weitere Parlamentarische Geschäftsführer sind die Abgeordneten Stefan Ruppert und Florian Toncar.

Lindner sagte, dass Buschmann mit seiner Wahl in den Bundestag das Amt des Bundesgeschäftsführers aufgebe. Zu Buschmanns Nachfolger wurde mit sofortiger Wirkung der bisherige Politische Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen, Marco Mendorf, bestellt worden.

Ergebnis der Bundestagswahl Deutschland
Ergebnis der Bundestagswahl Deutschland(c) APA

(APA/AFP/Reuters)

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