Vertriebene Rohingya: „Sie trinken dreckiges Wasser aus Regenpfützen“

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Ein Ärzte-ohne-Grenzen-Helfer schildert die dramatische Lage der vertriebenen Rohingya in Bangladesch.

Wien/Dhaka. „Es sind so viele Menschen – so enorm viele Menschen –, die jetzt unsere Hilfe brauchen: Die Dimensionen dieses Elends kann man sich als Außenstehender kaum vorstellen.“ Das Team von Arun Jegan, Projektkoordinator bei Ärzte ohne Grenzen in Bangladesch, betreut rund um die Uhr Hunderttausende Rohingya aus Burma (Myanmar). 436.000 Mitglieder der muslimischen Minderheit sind seit August vor Massakern der Armee geflohen und haben im benachbarten Bangladesch Zuflucht gefunden.

„Die Lager sind restlos überfüllt“, schildert Jegan der „Presse“. Schon vor der jüngsten Fluchtwelle hausten in den dürftig ausgestatteten Camps in Bangladesch mehrere Hunderttausende Rohingya, die zu früheren Zeitpunkten geflohen waren. Hilfsorganisationen berichten, wie etwa die Flüchtlingszentren in Kutupalong und Balukhali inzwischen zu einem Megalager zusammengeschmolzen seien, mit mehr als 500.000 Insassen. Die Herausforderungen für die Helfer sind enorm: Zu den Lagern führen keine gepflasterten Straßen, nur erdige Wege, die sich bei Regen in Schlammlawinen verwandeln.

WHO warnt vor Cholera-Ausbruch

Jegan erzählt von den unstabilen Camphütten, die Flüchtlinge meist selbst eiligst zusammengeschustert haben, vom akuten Mangel an Latrinen. Es fehlten Nahrungsmittel, Medikamente, Kleider – und vor allem sauberes Wasser: „Flüchtlinge trinken verdrecktes Wasser aus Reisfeldern, aus Regenpfützen oder aus selbst gegrabenen Brunnen, die mit Exkrementen verseucht sind.“ Alarmierend sei derzeit die rasant wachsende Anzahl an Dehydratisierungsfällen in den Camps. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte bereits vor der akuten Gefahr einer Cholera-Epidemie in den überfüllten Lagern. Ärzte ohne Grenzen fordert deshalb schnelle internationale Hilfe, „um eine humanitäre Katastrophe zu vermeiden“.

Der Konflikt in Burma war im August eskaliert, als Rohingya-Rebellen Dutzende Sicherheitskräfte getötet hatten. Das Militär reagierte mit brutaler Gegengewalt. „Viele Flüchtlinge erreichen völlig aufgelöst die Lager, sie haben nichts bei sich: Sie erzählen von Soldaten, die nur kurz vorher ihre Häuser niedergebrannt haben“, schildert Jegan.

Bangladesch ist mit der hohen Flüchtlingszahl überfordert und hofft auf eine baldige Rückkehr der Rohingya nach Burma. Deshalb dürfen Flüchtlinge die Camps nicht verlassen. Fraglich ist aber, ob eine schnelle Heimkehr möglich ist: Die Angst sitzt tief. „Über die Zukunft wird nicht geredet“, so Jegan. „Die Flüchtlinge leben von Tag zu Tag. Es geht derzeit ums blanke Überleben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2017)

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