Der türkische Präsident droht den Kurden zweifach: einerseits mit militärischen Maßnahmen, andererseits mit dem Stopp der Ölweiterleitung auf die internationalen Märkte.
Angesichts des Unabhängigkeitsreferendums der Kurden im Nordirak hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Dienstag vor der Gefahr eines "ethnischen und konfessionellen" Krieges gewarnt.
Sollte der irakische Kurdenführer Massoud Barzani und die kurdische Autonomieregierung nicht sehr rasch ihren Fehler einsehen, "werden sie mit der Schande in die Geschichte eingehen, unsere Region in einen ethnischen und konfessionellen Krieg gestürzt zu haben", sagte Erdogan in einer Fernsehansprache am Tag nach dem umstrittenen Referendum im Nordirak.
Erdogan warnte die irakischen Kurden, diese würden hungern, sollte die Türkei die Grenze für Lastwagen und Öltransporte schließen. Alle militärischen und wirtschaftlichen Optionen längen auf dem Tisch. "Sie werden in der Patsche sitzen, wenn wir unsere Sanktionen starten", warnte Erdogan. "Wenn wir die Ölhähne zudrehen, werden alle ihre Einnahmen verschwinden". Tatsächlich fließen täglich Hunderttausende Barrel Öl durch türkische Pipelines aus dem Nordirak zu den internationalen Märkten.
Erdogan beschuldigte Barzani wegen des Unabhängigkeitsreferendums des "Verrats", weil er die Abstimmung ohne Konsultationen mit anderen angesetzt habe. Bis zuletzt habe er nicht erwartet, dass Barzani solch einen Fehler mache, meinte der türkische Präsident. "Offenbar haben wir uns geirrt".
Ergebnis bis Donnerstag
Ungeachtet internationaler Proteste und gegen den Willen der irakischen Zentralregierung haben viele Kurden am Montag über die Unabhängigkeit ihrer Region abgestimmt. 78 Prozent der 5,2 Millionen Wahlberechtigten hätten sich an dem Referendum beteiligt, berichtete der kurdische Fernsehsender Rudaw TV. Das Endergebnis soll innerhalb von 72 Stunden vorliegen.
Es wird erwartet, dass eine klare Mehrheit der Stimmberechtigten mit "Ja" votiert. Der Ausgang des Referendums in dem erdölreichen Gebiet am Montag ist zwar nicht bindend. Es soll jedoch dem Präsidenten der kurdischen Regionalregierung, Massud Barsani, ein Mandat für Verhandlungen mit der Regierung in Bagdad und den Nachbarstaaten geben. Neben dem Irak und der Türkei, sind auch Syrien und der Iran gegen die Abstimmung. Sie befürchten ein Erstarken kurdischer Autonomiebestrebungen in ihren Ländern. Die Türkei hält Militärmanöver an der Grenze zum Irak ab, auch der Iran hatte am Wochenende Soldaten im Grenzgebiet üben lassen.
"Auf diesen Tag haben wir Hundert Jahre gewartet", sagte ein Wähler in Erbil, der Hauptstadt der Region. "Wir wollen einen eigenen Staat haben." In dem Dorf Scheich Amir an der Front westlich von Erbil standen kurdische Kämpfer in einer langen Schlange vor einem Wahllokal in einer Schule an. Nach der Stimmabgabe hielten sie ihre mit Tinte markierten Finger hoch, die meisten von ihnen lächelten. Die irakischen Kurden betrachten die Abstimmung auch als Anerkennung ihres Kampfes gegen die Islamisten-Miliz IS, die 2014 die irakische Armee überrannt und zeitweise ein Drittel des Staatsgebiets unter seine Kontrolle gebracht hatte.
(APA/AFP/Reuters)