Puigdemont: "Fühle mich als Präsident eines freien Landes"

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Der Chef der katalonischen Regierung bezeichnet Spanien als "autoritären Staat". Zur Aufrechterhaltung der Rechtsstaatlichkeit sei ein "verhältnismäßiger Gewalteinsatz" rechtmäßig, meint hingegen die EU.

In Spanien eskaliert der Machtkampf zwischen Madrider Zentral- und katalanischer Regionalregierung. König Felipe VI bezog am Dienstagabend in einem für das Staatsoberhaupt außergewöhnlichen Schritt Stellung in dem Streit über die Unabhängigkeit Kataloniens und warf der Regionalregierung vor, den sozialen Frieden zu bedrohen und systematisch Gesetze zu missachten.

"Es ist die Verantwortung der legitimen Kräfte des Staates, die von der Verfassung vorgegebene Ordnung zu wahren", sagte König Felipe in der landesweit übertragenen Ansprache im Madrider Zarzuela-Palast. Das Staatsoberhaupt stellte sich demonstrativ hinter Ministerpräsident Mariano Rajoy und warf der Regionalregierung vor, sich "ganz am Rande" von Gesetz und Demokratie zu bewegen.

Nur Stunden später kündigte der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont an, die Proklamation der Unabhängigkeit sei eine Frage von Tagen. Schon Montag könnte im Regionalparlament über die Unabhängigkeit abgestimmt werden. Am Mittwochabend will Puigdemont eine Erklärung abgeben.

Puigdemont ist kampflustig

Er zeigte sich am Mittwoch kamplustig. "Die spanische Regierung handelt wie ein autoritärer Staat", sagte Puigdemont der "Bild"-Zeitung. "Schauen Sie sich an, was am Sonntag passiert ist: Das war Gewalt gegen friedliche Menschen, die nur abstimmen wollten", sagte er. "Die spanische Regierung lässt politische Gegner verhaften, beeinflusst Medien, lässt Internetseiten blockieren. Wir werden Tag und Nacht beobachtet." Puigdemont sagte der "Bild": "Ich fühle mich bereits jetzt als Präsident eines freien Landes, in dem Millionen Menschen eine wichtige Entscheidung getroffen haben."

Nach Angaben der katalanischen Regierung hatten am Sonntag nach vorläufigen Ergebnissen rund 90 Prozent der Wähler für die Unabhängigkeit gestimmt. Allerdings lag die Wahlbeteiligung bei nur rund 40 Prozent.

Spaniens Justizminister will hart durchgreifen

Das spanische Verfassungsgericht hatte bereits vor dem Referendum die Volksbefragung für unzulässig erklärt. Spekuliert wird, wie die Madrider Regierung im Falle einer Ausrufung der Unabhängigkeit regieren wird. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Soraya Saenz de Santamaria hatte am Dienstag offengelassen, ob die Madrider Regierung unter Berufung auf den Artikel 155 der Verfassung die Regionalregierung entmachten werde. Der Artikel sieht vor, dass die Zentralregierung die Aufgaben einer Regionalregierung übernehmen kann, falls diese ihre Verpflichtungen nicht erfüllt oder gravierend gegen Interessen des ganzen Landes verstößt. Diese sogenannte nukleare Option setzt eine absolute Mehrheit im spanischen Senat voraus, der Regionalkammer.

Puigdemont hatte die Madrider Regierung am Dienstag vor einem solchen Schritt gewarnt. "Das wäre ein Fehler, der alles ändert", sagte er der BBC.

Spaniens Justizminister Rafael Catala deutete am Mittwoch jedoch einen harten Kurs der Zentralregierung an. Sie werde "alle zur Verfügung stehenden Mittel" einsetzen, um zu garantieren, dass die Gesetze befolgt würden, erklärte der Minister. Alle vom Regionalparlament verabschiedeten Gesetze, die als rechtliche Grundlage für die Abspaltung der wirtschaftsstarken Region dienen sollten, seien vom Verfassungsgericht als illegal außer Kraft gesetzt worden.

EU-Kommission fordert Einhaltung der Verfassung

Die EU-Kommission stellte sich am Mittwoch indirekt hinter die Regierung in Madrid. "Niemand wünscht sich Gewalt zu sehen. Es ist die Pflicht jeder Regierung, die Rechtsstaatlichkeit aufrecht zu erhalten. Das erfordert auch einen verhältnismäßigen Einsatz von Gewalt", meinte Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans. Die Meinungsfreiheit sei ein Grundrecht aller Bürger, auch der Spanier. Aber eine Meinung sei nicht wertvoller als eine andere, nur weil sie lauter geäußert werde.

Die Kommission habe bereits nach dem Referendum von Sonntag erklärt, dass dieses nicht rechtmäßig sei. Die Angelegenheit müsse nach der Verfassungsordnung Spaniens gehandhabt werden. Deshalb habe die Kommission alle Akteure aufgefordert, von der Konfrontation zum Dialog zu kommen. "Alle Kommunikationskanäle müssen weiter offen bleiben", so Timmermans.

Der Staatsgerichtshof in Madrid ordnete für Freitag eine Vernehmung des Chefs der katalanischen Polizei, der Mossos, Josep Lluis Trapero, wegen des Vorwurfs der Unterstützung eines Aufstandes. Trapero war angezeigt worden, bereits im Vorfeld des Referendums Maßnahmen der Madrid unterstehenden Polizei nicht unterstützt und Behinderungen billigend in Kauf genommen zu haben.

Unabhängigkeitsbewegung schwillt an

Die Unabhängigkeitsbewegung, die seit der Ablehnung einer Reform des katalanischen Autonomiestatuts durch das Verfassungsgericht 2010 starken Zulauf hat, ist in den vergangenen Tagen weiter angeschwollen. Vor allem das harte Vorgehen der Madrid unterstehenden Polizei gegen die Stimmabgabe bei dem Referendum hat die Vorbehalte gegen die spanische Regierung verstärkt und mögliche Kompromisse erschwert. Bei dem Polizeieinsatz am Sonntag waren nach katalanischen Angaben rund 900 Menschen verletzt worden. Mit Streiks vor allem in Barcelona hatten am Dienstag Hunderttausende Separatisten gegen den Polizeieinsatz und die Madrider Zentralregierung protestiert.

(APA/Reuters)

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