OSZE warnt vor militärischer Eskalation in der Ukraine

REUTERS/Mykola Lazarenko/Ukrainian Presidential Press Service/Handout via
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Täglich gebe es Waffenstillstandsverletzungen, sagt die OSZE. Die Konfliktparteien stehen nur wenige Meter entfernt, auch schwere Waffen sind wieder im Einsatz.

Der Vizechef der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine (SMM), Alexander Hug, hat davor gewarnt, dass der Konflikt in der Ostukraine wieder militärisch eskalieren könnte. In den vergangenen drei Wochen hätten die Verletzungen der Waffenruhe wieder stetig zugenommen, auch schwere Waffen würden wieder vermehrt eingesetzt, sagte Hug bei einem Besuch in Wien im Interview mit der APA.

"Wir sehen mehr Verletzungen als die Waffenruhe selbst", so der stellvertretende Leiter der OSZE-Mission. Er appellierte an alle Beteiligten, die Kämpfe sofort einzustellen, die schweren Waffen abzuziehen und die Minen zu entfernen.

Täglich gebe es Waffenstillstandsverletzungen "im dreistelligen Bereich", zuletzt sei die Zahl der dokumentierten Vorfälle aber mehrheitlich bei mehr als 500 pro Tag gelegen, so Hug. "Zwar ist die Zahl der registrierten Waffenstillstandsverletzungen weiterhin geringer als im Jänner, aber das Risiko für einen Ausbruch ist umso größer", warnte Hug. Die ruhigeren Monate im Sommer, als wegen Ernte und Schulbeginn die Vereinbarung zur Waffenruhe erneuert wurde, hätten beide Seiten genützt, "um neue Gräben zu graben und um militärische Übungen zu veranstalten".

Opfer des Konfliktes kaum wahrgenommen

Dass sich die Situation zuletzt "langsam aber sicher" verschärft habe, sei nicht überraschend, meint Hug. Denn die Konfliktparteien seien in den vergangenen Monaten extrem nah aneinandergerückt. "Sie stehen zum Teil 10, 20 oder 50 Meter voneinander entfernt und das führt zu ständigen Spannungen, die sich oft in Kämpfen entladen."

Auch würden schwere Waffen wieder vermehrt eingesetzt, kritisiert der Vize-Chef-Beobachter. Zu sehen seien Panzer, Artilleriegeräte inklusive Mehrfachraketenwerfer und Mörser, die gemäß der Minsker Vereinbarungen alle über bestimmte Rückzugslinien gebracht hätten werden müssen. "Wir sehen diese Waffen immer noch an Orten, wo sie nicht sein sollten", sagt Hug. Das passiere auf beiden Seiten.

Wenn dieses beiden technische Probleme - die räumliche Nähe sowie der Einsatz schwerer Waffen - nicht behandelt würden, "dann wird es unweigerlich dazu führen, dass es jederzeit zu einem schweren Ausbruch der Gewalttätigkeiten an der Kontaktlinie kommen kann", warnte Hug.

Er kritisierte, dass die Opfer des Konflikts in den internationalen Medien immer seltener wahrgenommen würden. "Sie verschwinden in den hinteren Seiten der Nachrichten, wenn überhaupt noch darüber berichtet wird, das darf nicht passieren", sagte Hug. Seit Jahresbeginn hat die OSZE 404 zivile Opfer gezählt: 72 Zivilisten wurden getötet, 332 verletzt. Außerdem sei die Situation für die 25.000 bis 40.0000 Ukrainer, die täglich die Kontaktlinie überqueren, sehr mühsam und gefährlich. Viele Dörfer an der Kontaktlinie hätten kein Wasser und keinen Strom.

Mit akustischen Sensoren Verletzungen Nachgehen

Welche Seite schuld an den vermehrten Verletzungen der Waffenruhe trage, sei für die OSZE-Beobachter "fast unmöglich festzustellen." Künftig will die Mission aber mithilfe von akustischen Sensoren besser bestimmen können, woher Geschoße kommen. Bisher befinden sich die akustischen Sensoren, die aus drei Mikrofonen bestehen, noch in der Testphase. Bisher setzen die unbewaffneten Beobachter bereits Kameras, Drohnen und Satellitenbilder ein, um die militärischen Vorgänge im Konfliktgebiet zu dokumentieren.

Größtes Hindernis und zugleich Sicherheitsrisiko sind für die OSZE-Beobachter Minenfelder und dass sie ins Kreuzfeuer geraten. Nach wie vor gebe es auch Fälle, in denen die Beobachter direkt an der Arbeit gehindert würden, so Hug. "Dieses direkte und aggressive Aufhalten passiert zu großem Teil auf Nicht-Regierungsseite", sagt er und meint damit die pro-russischen Separatisten.

Zum jüngsten Vorschlag eines UNO-Blauhelmeinsatzes in der Ostukraine gab sich Hug reserviert. "Jede zusätzliche Maßnahme soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass bereits Maßnahmen mit Unterschrift vereinbart wurden, um diese Kämpfe zu beenden." Optimistisch zeigte sich der stellvertretende Chefbeobachter bezüglich einer Reintegration der beiden abtrünnigen Regionen in der Ost-Ukraine. "Es besteht hier kein unterschwelliger Konflikt, wo Bevölkerungsgruppen in direktem Konflikt stehen", meinte er. Die Tatsache, dass 40.000 Menschen täglich die Kontaktlinie überschreiten würden, gebe es etwa nicht in anderen Konflikten. "Die Kontaktlinie existiert nicht in den Köpfen der Menschen sondern nur als tragische Realität", so Hug.

(APA)

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