Schickt CIA Mordkommandos nach Europa?

(c) AP (Gervasio Sanchez)
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In Deutschland gehen die Wogen hoch: Die CIA soll die Firma Blackwater mit einem Attentat in Hamburg beauftragt haben. Blackwater-Söldner rekrutieren sich meist aus den Reihen ehemaliger US-Elitesoldaten.

Es hört sich an wie aus einem billigen Spionagethriller: Ein CIA-Killerkommando von Söldnern wird in ein befreundetes Land geschickt, um dort einen Feind zu töten. Doch genau das ist möglicherweise wirklich geschehen. Dreh- und Angelpunkt des Ganzen: Erik Prince, Chef der Sicherheitsfirma Blackwater (heute Xe Services). Im Gespräch mit der amerikanischen Ausgabe der Zeitschrift „Vanity Fair“ erklärte er, die CIA habe ihn im Geheimen angeheuert und seine Firma habe im Gegenzug Teams zusammengestellt, um Feinde zu töten. Eines dieser Kommandos sei nach Hamburg gereist, um dort Mamoun Darkazanli zu ermorden, einen angeblichen Finanzier des Terrornetzwerkes al-Qaida. Der Anschlag wurde nicht durchgeführt, Darkazanli ist noch am Leben.

In Deutschland schlagen nun die Wogen hoch. Die Grünen fordern eine Reaktion der Regierung, die Hamburger Staatsanwaltschaft hat sich eingeschaltet. Denn Prince und Blackwater/Xe Services sind Schwergewichte der Söldnerszene mit engsten Verbindungen zur CIA. Tatsächlich hat die Firma durch Aufträge der US-Regierung zwischen 2001 und 2009 über 1,5 Milliarden Dollar eingenommen. Die meisten dieser Aufträge waren Schutzaufträge. Blackwater-Söldner, die in der Regel aus den Reihen ehemaliger amerikanischer Eliteeinheiten rekrutiert werden, beschützten US-Diplomaten im Irak und in Afghanistan.

Vor allem durch zwei Vorfälle geriet die Firma ins Zwielicht: An Heiligabend 2006 erschoss ein betrunkener Blackwater-Mitarbeiter einen Leibwächter des irakischen Vizepräsidenten in der schwer bewachten „grünen Zone“ Bagdads. Und am 16. September 2007 richteten Blackwater-Söldner ein Blutbad auf dem Nizur-Platz in Iraks Hauptstadt an: Sie schossen wahllos auf Iraker, die im Stau feststeckten. 16 Iraker kamen bei diesem „Zwischenfall“ ums Leben.

Rechtliche Grauzone

Zwar hat Blackwater/Xe Services mittlerweile den Schutzauftrag im Irak verloren, aber vor einigen Tagen erst hat ein US-Richter die angeklagten Blackwater-Schützen freigesprochen. Seine Begründung: Die Untersuchungsprotokolle, die vom US-Außenministerium bei Befragungen der Beteiligten angefertigt wurden, hätten nicht verwendet werden dürfen. In der arabischen Welt hat das Urteil Fassungslosigkeit hervorgerufen.

Und nun die Enthüllung der „New York Times“, dass Blackwater für die CIA gearbeitet hat. Auf dem Höhepunkt der Unruhen im Irak, 2004 bis 2006, rückten Söldner zusammen mit CIA und US-Soldaten aus, um Aufständische zu fangen oder zu töten. Das Problem dabei liegt vor allem in der Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Rolle der Söldner. Wem sind sie unterstellt, wer ist für sie verantwortlich?

Bush gab grünes Licht

Ursprünglich war Blackwater für Geheimtrainings im Irak zum Aufspüren und Gefangennehmen hochrangiger al-Qaida-Mitglieder unter Vertrag genommen worden. Ein Projekt, das die USA Millionen Dollar gekostet hat, ohne zu greifbaren Ergebnissen zu führen, und dessen Details den im Februar 2009 von Barack Obama eingesetzten CIA-Direktor Leon Panetta so beunruhigten, dass er eine Sitzung des zuständigen Kontrollgremiums im Kongress einberief. Ob die Blackwater-Mitarbeiter tatsächlich „nur“ die CIA-Leute beschützten oder gar selbst Terroristen jagten, ist immer noch nicht ganz klar.

Den Informationen der „New York Times“ zufolge sollten Blackwater-Söldner sogar schon 2002 zur Ermordung feindlicher al-Qaida Leute eingesetzt werden. „Wenn überhaupt“, sagt Mark Mazzetti, Spezialist der „New York Times“, „dann kann es nur 2004 gewesen sein, dass Blackwater-Killer-Teams auch in Europa al-Qaida Spitzenleute ermorden sollten.“

Neben Darkazanli soll der Pakistaner Abdul Qadir Khan in ihrem Visier gewesen sein. Khan gilt als „Vater“ der pakistanischen Atombomben, er hat die nötige Technologie nach Pakistan eingeschmuggelt und später an den Iran, nach Libyen und Nordkorea weiterverkauft.

Und nach den Anschlägen vom 11. September hatte die CIA die Erlaubnis des Präsidenten, solche „Ziele“ zu töten. George W. Bush strich einfach den Erlass des früheren Präsidenten Ford, der der CIA 1976 derartige Attentate untersagt hatte. Bushs Vize, Dick Cheney, erklärte den CIA-Beamten, dass die Kontrollgremien im Kongress nicht von solchen Unternehmungen in Kenntnis gesetzt werden müssten.

Aktionen in Pakistan

Dass die CIA sich dennoch für die Durchführung von Attentaten möglicherweise der Firma Blackwater bediente, ist dem Journalisten Mazzetti nur allzu klar: „Wahrscheinlich wollten sie sich der Verantwortung dafür entziehen“, sagt er im Telefoninterview.

Tatsächlich war die Regierung Bush so eng wie keine andere US-Regierung zuvor mit privaten Sicherheitsunternehmen verbandelt. Teilweise waren 160.000 Söldner und Mitarbeiter anderer Unternehmen im Irak tätig, um das Land auf Kurs zu bringen. Unter anderem waren sie für die Misshandlung von Häftlingen im Gefängnis Abu Ghraib mitverantwortlich. Während ihre Zahl im Zweistromland langsam zurückgeht, sind die Mitarbeiter von Blackwater in Afghanistan immer noch im Einsatz. Sie steuern von sicheren Stützpunkten aus die Drohnen, die die Taliban eliminieren sollen.

Im Gespräch mit „Vanity Fair“ erklärte ihr Chef Erik Prince, dass sich Blackwater im Auftrag der CIA auch in Länder eingeschlichen habe, die selbst für den Geheimdienst zu heikel seien. Auch in Pakistan sei Blackwater inoffiziell schon präsent, meint Jeremy Scahill, einer der bekanntesten Kritiker des Unternehmens. Seinen Recherchen zufolge arbeiten Mitarbeiter dort mit der amerikanischen Antiterroreinheit Jsoc und Teilen der pakistanischen Armee zusammen. Alles unter der Hand, da sich sonst die pakistanische Öffentlichkeit ob der US-Militärpräsenz empören würde.

Zahl der Söldner wächst

Das Blackwater-„Outsorcing“ der CIA für die geplanten Attentate ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Privatisierung des US-Militärs und der Geheimdienste ist so weit fortgeschritten, dass sie sich kaum noch zurückdrehen lässt. „70 Prozent der Arbeitsleistung für das Pentagon sind in den Händen des privaten Sektors“, sagt Scahill empört. „Wir haben Angestellte privater Sicherheitsunternehmen, die am täglichen Briefing des Präsidenten mitarbeiten, dem wichtigsten Geheimdienstdokument der US-Regierung.“

Auch die Regierung Obama hat in dieser Hinsicht keine Kurskorrektur unternommen. Dem zuständigen Kongressausschuss zufolge ist die Zahl der Mitarbeiter von Privatunternehmen, die in Afghanistan für die USA arbeiten, seit Obamas Amtsantritt von 30.000 auf über 60.000 hochgeschnellt. Davon seien 10.000 Söldner, schreibt Scahill in der Zeitschrift „The Nation“.

Nach wie vor hält das amerikanische Außenministerium trotz aller Kritik an der Sicherheitsfirma fest. Für 400 Millionen US-Dollar fliegt Blackwater Diplomaten durch den Irak, beschützt sie in Afghanistan und trainiert Sicherheitskräfte auf dem eigenen Schießplatz in North Carolina zumindest bis 2011, so lange läuft der Vertrag. Und vielleicht ist bis dahin das Unternehmen auch ein wenig aus der Schusslinie.

AUF EINEN BLICK

Mamoun Darkazanli (l.) soll eines der „Ziele“ gewesen sein, auf die die CIA Killer der Sicherheitsfirma Blackwater angesetzt hat. Darkazanli wohnt in Hamburg. Ihm wurde von den USA vorgeworfen, al-Qaida zu finanzieren. Er ist nach wie vor am Leben.
Abdul Qadir Khan (r.), Vater von Pakistans Atombombe, soll ebenfalls auf der Todesliste gestanden haben.
Zwei der Amerikaner, die nun bei einem Attentat auf einen CIA-Posten in Afghanistan starben, arbeiteten für Blackwater. [Reuters, AP]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2010)

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