Warum die Saudis jetzt einen Konflikt im Libanon brauchen

FILE PHOTO: Lebanon´s Prime Minister Saad al-Hariri attends a general parliament discussion in downtown Beirut
FILE PHOTO: Lebanon´s Prime Minister Saad al-Hariri attends a general parliament discussion in downtown Beirut(c) REUTERS (MOHAMED AZAKIR)
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Riad scheiterte bisher daran, den Einfluss des Rivalen Iran in der Region einzudämmen – und legt sich deshalb mit proiranischer Hisbollah an.

Beirut/Kairo. Der krisengebeutelte Nahe Osten ist um eine explosive Krise reicher geworden: Die regionale Rivalität zwischen Saudiarabien und dem Iran wird nun im Libanon ausgetragen. Hauptkontrahenten sind der saudische Kronprinz Muhammad Bin Salman („MBS“) und die vom Iran gelenkte, libanesische Hisbollah mit ihrem Chef Hassan Nasrallah.

Auslöser der Eskalation war der Rücktritt des libanesischen Premiers Saad Hariri, den er kurioserweise in Saudiarabien verkündet hatte, wo er seitdem abgetaucht ist. Viel wird seitdem spekuliert: Ist Hariri nach Saudiarabien geflohen, weil er – wie er selbst erklärt hatte – Angst vor einem Hisbollah-Mordkomplott hatte? Oder wurde er in Saudiarabien unter Hausarrest gestellt, weil er zu wenig auf Konfrontationskurs mit seinem Regierungspartner Hisbollah gegangen war? Der libanesische Präsident Michel Aoun verlangte jedenfalls am Wochenende von Saudiarabien Auskunft darüber, weshalb Hariri nach seinem Rücktritt nicht in sein Heimatland zurückkehrt. Hariris Äußerungen und Handlungen könnten nicht als echt betrachtet werden, solange Fragen über seine Lage offenblieben. Dieser meldete sich in einem Interview mit Future TV zu Wort und erklärte seine baldige Rückkehr. Er habe seinen Rücktritt angeboten, erklärte er gegenüber dem TV-Sender.

Einen Krieg der Worte liefern einander inzwischen Riad und der Hisbollah-Chef. Nasrallah wirft Saudiarabien vor, der Hisbollah den Krieg erklärt zu haben. Noch ist unklar, wohin das Säbelrasseln führen wird. Der saudische Kronprinz hat zwei Optionen. Ähnlich wie im Syrienkrieg kann er versuchen, auch im Libanon einen Stellvertreterkrieg vom Zaun zu brechen. Dafür müsste er aber einen Partner finden, der im saudischen Auftrag handelt. Bisher gibt es keine Kandidaten.

Oder aber der Kronprinz versucht, die Front im Libanon zu internationalisieren. Anbieten würden sich dafür Israel – mit seinen vielen offenen Rechnungen gegenüber der Hisbollah – und US-Präsident Donald Trump, der die Anti-Iran-Politik der Saudis unterstützt. Doch beide halten sich im Moment im Hintergrund.

Hinter der saudischen Eskalationsstrategie steckt Frust: Saudiarabien scheiterte bisher daran, Irans Einfluss in der Region einzudämmen. Im Jemen hat sich Riad in einen Stellvertreterkrieg gegen den iranischen Einfluss ziehen lassen, der Saudiarabien viel, den Iran aber wenig kostet. Auch hat es MBS nicht geschafft, seinen kleinen Golfnachbarn Katar – wegen dessen Iran-Beziehungen – in die Knie zu zwingen. In Syrien hat MBS bereits verloren: Gescheitert ist der saudische Plan, den syrischen Diktator Bashar al-Assad zu stürzen und mit einem pro-saudischen Nachfolger zu ersetzen.

Saudische Flucht nach vorn

Die iranische Einflusszone hingegen reicht heute von Teheran bis ans Mittelmeer. Im Irak geben allmächtige schiitische Milizen, die schiitisch dominierte Zentralregierung und schiitisch kontrollierte Sicherheitskräfte den Ton an. Sie alle haben enge Verbindungen zu Teheran. Im benachbarten Syrien hängt Assad am iranischen Tropf: Die vom Iran kontrollierten schiitischen Milizen und die Hisbollah sind das wichtigste militärische Rückgrat des Regimes. Jeder militärische Sieg Assads ist damit automatisch eine Stärkung des iranischen Einflusses in Syrien. Zudem kontrolliert Teheran mit der Hisbollah den militärisch mächtigsten Player im Libanon, der dort auch in der Regierung sitzt.

Zunehmend in seiner Nachbarschaft vom Iran in die Ecke gedrängt, tritt Saudiarabien nun die Flucht nach vorn an. Weil MBS sich aus dem Krieg mit dem Jemen nicht mehr zurückziehen kann, weil er in Katar nicht weiterkommt, weil für ihn in Syrien derzeit nichts mehr zu holen ist und weil der Irak verloren ist, eröffnet der Kronprinz eine neue Front mit der Hisbollah im Libanon.

Dabei ist noch nicht einmal klar, wie es in Saudiarabien selbst weitergehen wird. Dort versucht MBS seine Macht zu zentralisieren, um damit gegen die wirtschaftliche und politische Macht der lokalen Fürstentümer anzukämpfen. Ob sich der Prinz durchsetzen wird, ist noch offen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2017)

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