Der deutsche Bundestagspräsident Schäuble (CDU) fordert Kompromisse in den Verhandlungen. Deutschland befände sich in keiner Staatskrise. Bundespräsident Steinmeier beginnt mit seinen Gesprächen mit den Parteichefs.
Der deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen die Parteien zu Kompromissbereitschaft aufgerufen. Dies gehöre zum Wählerauftrag, sagte Schäuble am Dienstag in Bundestag. "Demokratie verlangt Mehrheiten", sagte der Parlamentspräsident.
"Mit der Wahl hat das Volk entschieden und damit müssen wir als Gewählte auch umgehen", so Schäuble. Es sei Verständnis nötig "für die schwierige Gratwanderung, die es für alle bedeutet, die politische Verantwortung tragen, für mehrheitsfähige Kompromisse auch in Teilen vom eigenen Wahlprogramm abzurücken", so Schäuble zu Beginn der Bundestagswoche in Berlin. "Das ist kein Umfallen, auch keine Profilschwäche."
"Keine Staatskrise"
Gleichzeitig warnte er davor, die Situation zu dramatisieren. "Es ist eine Bewährungsprobe, aber es ist keine Staatskrise." Angesichts der langwierigen Regierungsbildung will der Bundestag mit Hilfe eines Hauptausschusses seine Funktionsfähigkeit sicherstellen. Mit Ausnahme der Linken stimmten die Abgeordneten der im Bundestag vertretenen Parteien am Dienstag dafür, einen solchen Ausschuss zum zweiten Mal seit 2013 einzusetzen.
Nach dem Scheitern der Gespräche von Union, FDP und Grünen über eine gemeinsame Regierung ist noch vollkommen offen, wie es weitergeht. Möglich wären Neuwahlen im kommenden Jahr, aber auch eine Minderheitsregierung oder eine Große Koalition - auch wenn die SPD das bisher ablehnt.
Der deutsche Präsident Frank-Walter Steinmeier rief ebenso wie Schäuble am Montag die Parteien zur Regierungsbildung auf. Nach seiner Unterredung mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vom Montag will Steinmeier am Dienstagnachmittag die Spitzen von Grünen (14 Uhr) und FDP (16 Uhr) treffen. Für Donnerstagvormitag ist eine Begegnung mit SPD-Chef Martin Schulz geplant.
SPD-Lauterbach: "Bevölkerung ist Großer Koalition überdrüssig"
Neben zahlreichen anderen SPD-Politikern machte auch der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Karl Lauterbach, deutlich, dass eine Neuauflage der Großen Koalition aus mehreren Gründen unwahrscheinlich sei. "Die Bevölkerung ist dieser Großen Koalition überdrüssig", diese bringe die Gefahr mit sich, "den rechten Rand noch stärker zu machen", sagte Lauterbach im Fernsehsender Phoenix. Man wolle unbedingt Verhältnisse wie in Österreich verhindern.
Zudem seien "die Schnittmengen" zwischen Union und SPD "abgegrast". Eine Große Koalition sehe er nur, wenn es bei Neuwahlen ein "ganz neues Votum" gäbe - die SPD etwa deutlich an Stimmen gewinnen und den Kanzler stellen würde. "Dann wäre das eine ganz andere Situation", fügte Lauterbach hinzu.
SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles hat im ZDF-"Morgenmagazin" - auch die Möglichkeit einer Minderheitsregierung ins Gespräch gebracht. "Wir sollten jetzt darüber reden, wie wir einen Prozess gestalten, der unser Land in eine stabile neue Regierung führt."
(APA/dpa/AFP/Reuters)