Geld, Gold und ein nervöser Erdoğan

Der Staatspräsident der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, mit Mitgliedern seiner Partei (AKP).
Der Staatspräsident der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, mit Mitgliedern seiner Partei (AKP).(c) imago/Depo Photos
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Den Staatspräsident holen längst überwunden geglaubte Korruptionsvorwürfe ein. Ein Prozess in den USA droht seine Verbindungen zu Goldhändler Zarrab ans Licht zu bringen.

Ankara/Washington. Gebannt blickt die Türkei auf einen politisch explosiven Strafprozess um den türkisch-iranischen Goldhändler Reza Zarrab, der Korruptionsvorwürfe gegen Präsident Recep Tayyip Erdoğan und dessen engstes Umfeld neu anfachen könnte. Enthüllungen vor dem am heutigen Montag beginnenden US-Gerichtsverfahren könnten Erdogan zu Hause in Ankara großen Schaden zufügen. Schon jetzt spricht die Regierung von einer anti-türkischen Kampagne.

Der 34-jährige Zarrab war die Schlüsselfigur in einem Skandal, der Ende 2013 die Erdoğan-Regierung erschütterte. Damals wurde Ministern in Ankara vorgeworfen, hohe Bestechungsgelder von Zarrab angenommen zu haben, um dessen Goldhandel mit dem Iran zu ermöglichen. Zarrab war märchenhaft reich und soll dem damaligen türkischen Wirtschaftsminister unter anderem eine Schweizer Armbanduhr im Wert von mehreren hunderttausend Euro geschenkt haben. Laut den Vorwürfen war der Goldhändler auch sonst ein Liebling der Regierung: Wenn Zarrab in Istanbul im Stau festsaß, rief er den türkischen Innenminister an, der ihm eine Polizei-Eskorte schickte.

Auch Erdoğan selbst geriet in den Strudel des Skandals. Seine Stimme war auf Telefonmitschnitten zu hören, in denen er seinen Sohn Bilal anwies, große Summen von Bargeld vor den Ermittlern zu verstecken. Der damalige Ministerpräsident und heutige Präsident wies die Vorwürfe zurück und ließ die ermittelnden Staatsanwälte feuern: Erdoğan sprach von einer Verschwörung der Bewegung des islamischen Geistlichen Fethullah Gülen, der später auch für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich gemacht wurde. Der vorübergehend festgenommene Zarrab wurde freigelassen.

Für den Präsidenten schien die Sache ausgestanden zu sein – bis Zarrab im März vergangenen Jahres während eines Familienurlaubs in den USA festgenommen wurde. Die US-Staatsanwaltschaft warf ihm vor, mit dem iranischen Goldhandel amerikanische Sanktionen gegen Teheran umgangen zu haben. Ebenfalls in den USA wurde Hakan Atilla festgenommen, der stellvertretende Chef einer staatlichen türkischen Bank, der mit Zarrab in den Skandal verwickelt sein soll.

Vergeblich versuchte Erdoğan, die Trump-Regierung dazu zu bringen, Zarrab in die Türkei zurückzuschicken: An diesem Montag soll in New York die Jury für den Prozess ausgewählt werden; anschließend beginnt das Hauptverfahren. Kurz vor Prozessbeginn häufen sich Anzeichen dafür, dass Zarrab nach einer entsprechenden Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft als Kronzeuge der Anklage auftreten könnte. Der Goldhändler fehlte bei vorbereitenden Sitzungen des Gerichts; zudem ist unbekannt, wo er von den US-Behörden festgehalten wird. Laut Presseberichten könnte sich Zarrab mit einer Aussage im Sinne der Anklage einen Strafnachlass erkaufen.

Angriffe gegen US-Justiz

Ein Deal zwischen Zarrab und der US-Staatsanwaltschaft wäre der politische GAU für die Erdoğan-Regierung, denn dann könnten Korruptionsvorwürfe gegen die Führung in Ankara aus berufenem Munde in aller Öffentlichkeit ausgebreitet werden. Für Erdoğan, der sich vor seinen Wählern als aufrechter Kämpfer für die Interessen des kleinen Mannes präsentiert, wäre dies brandgefährlich: Der 63-Jährige will bei einer Wahl in zwei Jahren seinen Plan zur Umwandlung der Türkei in eine Präsidialrepublik mit ihm selbst an der Spitze vollenden. Ein neuer Korruptionsskandal könnte seine Erfolgschancen schmälern.

Der Präsident baut deshalb seit Wochen rhetorisch vor und beschwert sich, die amerikanischen Behörden wollten Zarrab „umdrehen“. Die US-Justiz sei von Gülen-Anhängern unterwandert, behauptet die türkische Regierung. In Istanbul leitete die Oberstaatsanwaltschaft sogar ein Ermittlungsverfahren gegen jene US-Staatsanwälte ein, die den Fall Zarrab ins Rollen brachten.

So trägt der Zarrab-Prozess schon vor seinem eigentlichen Beginn zur wachsenden anti-amerikanischen Stimmung in Teilen der türkischen Öffentlichkeit bei. Regierungsnahe türkische Medien berichten immer wieder über eine angebliche Verwicklung amerikanischer Geheimdienste in den Putschversuch des vorigen Jahres.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2017)

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