Jemen: Das Ende von Ex-Diktator Saleh

Ali Abdallah Saleh soll von einem Scharfschützen getötet worden sein.
Ali Abdallah Saleh soll von einem Scharfschützen getötet worden sein.(c) APA/AFP/MARWAN NAAMANI
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Houthi-Rebellen töteten Ex-Staatschef Saleh, der erst vor wenigen Tagen ins Lager der Saudis übergelaufen war.

Kairo/Sanaa. Der leblose Körper lag auf einer bunten Wolldecke. Auf einer Seite des Kopfes klaffte eine Wunde. So präsentierten die schiitischen Houthi-Kämpfer die Leiche des ehemaligen jemenitischen Diktators Ali Abdallah Saleh. „Lobet Gott!“, riefen die Kämpfer. Die grausame Szene verbreitete sich per Video in Windeseile im Internet. Saleh hatte versucht, Sanaa mit einem Fahrzeug zu verlassen, das dann offenbar in einen Hinterhalt geriet. Er soll von einem Scharfschützen getötet worden sein.

Damit haben die dramatischen Kämpfe rund um Sanaa, die jemenitische Hauptstadt, einen neuen Höhepunkt erreicht. Schiitische Houthi-Milizen nahmen eigenen Angaben zufolge unter dem Einsatz von Panzern und schwerer Artillerie Stellungen der Truppen von Ex-Präsident Saleh ein. Dabei sprengten sie auch dessen Haus in die Luft. Saleh hatte sich vorige Woche von den Houthi-Rebellen losgesagt, mit denen er zuvor gemeinsam gegen die saudisch-dominierte Militärallianz gekämpft und weite Teile des Nordens des Landes kontrolliert hatte. Damit brach eine neue Konfliktlinie in dem Krieg auf.

Die Saudis hatten hoch gepokert, indem sie Salah zum Bruch mit den Houthis angestiftet und ihm militärische Hilfe zugesagt hatten. Sie wollten damit den Iran, der die Houthis unterstützt, zurückdrängen. Nun haben sie verloren. Es ist noch unklar, wie sich das alles auf den Krieg auswirken wird. Wenn die Houthis in Sanaa triumphieren, hätte das sicher einen Rachefeldzug zur Folge gegen alle, die sich mit Saleh solidarisiert haben. Möglich ist aber auch, dass die saudische Seite nun den Krieg eskaliert und zusammen mit ihren jemenitischen Partnern doch noch versucht, eine militärische Entscheidung in Sanaa herbeizuführen.

In jedem Fall stehen den Einwohnern Sanaas, die schon seit mehr als drei Jahren unter dem Krieg leiden, schwierige Zeiten bevor. Einer der Einwohner der Stadt twitterte in der Nacht zum Montag: „Als jemand, der zuvor beides erlebt hat, Straßenkämpfe in Aden und Luftangriffe in Sanaa, kann ich sagen, dass Straßenkämpfe für die Zivilisten viel schlimmer sind. Aber beides gleichzeitig zu erleben ist das Allerschlimmste.“

Chance für Diplomatie

Es war schon bisher ein erbarmungsloser Krieg mit bisher über 10.000 Toten, zwei Millionen Menschen, die aus ihren Häusern fliehen mussten und 17 Millionen Menschen, die in Folge des Krieges von einer Hungersnot, Cholera und Diphtherie bedroht sind. Mit den jetzt ausgebrochenen Kämpfen in Sanaa hat der Krieg einen neuen Höhepunkt erreicht, der aber auch Bewegung in den seit Jahren festgefahrenen Konflikt bringen könnte.

Der UN-Generalsekretär António Guterres hat nun alle Kriegsparteien im Jemen aufgerufen, ihre Luft- und Bodenangriffe einzustellen. Krankenwagen und medizinischen Helfern sei es nicht mehr möglich, die Verletzten zu erreichen. Die Menschen würden sich nicht aus den Häusern wagen, um Essen und das Notwendigste zu kaufen, erklärt er. Laut Internationalem Roten Kreuz trauen sich auch deren Mitarbeiter derzeit nicht auf die Straße. In den vergangenen Tagen seien Hunderte Verletzte in die Krankenhäuser Sanaas eingeliefert worden, wo es an Medizin und Platz mangle und ständig der Strom ausfalle, berichtet die Organisation.

„Wir wissen nicht, wie lang wir das noch aushalten können“, twittert einer der Einwohner der Stadt. Aber es ist unwahrscheinlich, dass die Kämpfe nachlassen werden, bevor eine Seite das Blatt zu ihren Gunsten gewendet hat. Denn kriegsentscheidend für beide Konfliktparteien ist, wer am Ende die jemenitische Hauptstadt kontrolliert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2017)

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