Der ukrainische Regierungsgegner Michail Saakaschwili will den Rücktritt der Regierung erreichen – auch mit riskanten Protestaktionen.
Kiew. Die Konfrontation zwischen dem georgischen Expräsidenten und ukrainischen Regierungsgegner Michail Saakaschwili und den Behörden wird zusehends brenzliger. Am Sonntag kam es vor einem Konzertsaal im Zentrum zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Unterstützern Saakaschwilis. Mehrere Hundert Demonstranten versuchten, sich Zutritt zu dem Gebäude zu verschaffen, in dem ein Konzert einer US-Band stattfand. Nationalgardisten stellten sich ihnen entgegen. Steine flogen, Türscheiben gingen zu Bruch, die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein. Es gab mehrere Verletzte.
Der mittlerweile staatenlose Saakaschwili hatte zuvor auf seinem Impeachment-Marsch zur Inbesitznahme des Oktoberpalastes als Stabsquartier seiner Bewegung aufgerufen. Der Konzertsaal war zur Zeit der Protestbewegung 2013/14 von Maidan-Kräften besetzt. Auf diese tragende Symbolik dürfte der Volkstribun gesetzt haben, will Saakaschwili doch die Amtsenthebung von Präsident Petro Poroschenko durch eine neue Massenbewegung – einen „dritten Maidan“ – erreichen. Doch die Massen bewegt er nicht. Als die Aktion aus dem Ruder lief, machte der Politiker „Provokateure“ verantwortlich und rief zum Rückzug auf. Doch nicht alle folgten ihm.
Geheimplan mit Janukowitsch?
Die chaotischen Ereignisse vom Sonntagabend könnten den Oppositionsaktivisten weiter in Bedrängnis bringen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Am Montag musste sich Saakaschwili, dem nach kurzzeitiger Festnahme und Flucht Anfang Dezember nun der Hausarrest droht, bei den Behörden melden. Angeblich soll er mit Janukowitsch-nahen Kräften eine Verschwörung gegen die Regierung der Ukraine geplant haben.
Die Konfrontation vom Sonntag zeigt auch, wie aufgeladen die Atmosphäre in Kiew ist. Unter den Demonstranten waren neben älteren Menschen auch mehrere Hitzköpfe und frühere Kriegsteilnehmer. Dass sie zum Einsatz von Gewalt bereit sind, ist nicht ausgeschlossen. Andere Kritiker Poroschenkos haben sich von Saakaschwilis Aktionen bereits distanziert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2017)