Der Ministerpräsident von Zemans Gnaden

Andrej Babiš
Andrej Babiš REUTERS
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Premier Babiš erhält noch eine Galgenfrist. Das Parlament vertagte Mittwochabend eine Abstimmung über seine Regierung auf kommende Woche. Präsident Zeman stellte klar, den Oligarchen im Amt halten zu wollen.

Prag. Die zum Konzern Agrofert des tschechischen Multimilliardärs Andrej Babiš gehörende auflagenstärkste Prager Qualitätszeitung, „Mladá fronta Dnes“, hatte ganze Arbeit geleistet: Auf keiner ihrer 20 Seiten fand sich am Tag vor dem Misstrauensvotum am Mittwoch ein Wort über die wichtigste Nachricht des Tages: Im Untersuchungsbericht von EU-Ermittlern hatte sich der Verdacht der tschechischen Behörden erhärtet.

Demnach hat der von Babiš geleitete Konzern für die Errichtung eines Erholungszentrums in Mittelböhmen namens Storchennest zu Unrecht Fördermittel der EU für kleine und mittlere Firmen beantragt. Das Storchennest sei zum Zwecke der Erlangung von Fördermitteln aus dem Großkonzern ausgegliedert – und nach der Gewährung der Gelder in selbigen wieder eingegliedert worden. Die EU verlange das Geld zurück.

Babiš hatte stets von einer „Verschwörung“ gegen ihn gesprochen. Die Vorwürfe machten es ihm unmöglich, Koalitionspartner für seine Regierung zu finden. Babiš bemäntelte dies damit, dass eine Minderheitsregierung ohnehin besser sei. Die anderen Parteien im Parlament von einer Koalition zu überzeugen, sei „Zeitverschwendung“.

Babiš wusste Präsident Miloš Zeman hinter sich. Zeman versteht sich so blendend mit Babiš, dass er ihm einen Blankoscheck ausstellte: Auch wenn Babiš im Parlament scheitern sollte, das Vertrauen zu bekommen, werde er an ihm festhalten. Der Präsident hat diese Vollmacht. Mehr noch: Die Verfassung schreibt ihm nicht einmal vor, innerhalb welchen Zeitraums er einen Politiker seiner Wahl mit dem zweitens Versuch der Regierungsbildung betrauen muss. Theoretisch kann Babiš auch ohne Vertrauensbeweis weiter regieren – bis ihm der Präsident ein Stoppzeichen setzt.

Emotionale Debatte

Eine erste Einschränkung machte Zeman am Mittwoch jedoch: Er werde Babiš erst dann mit einem zweiten Versuch ausstatten, wenn der ihm 101 Unterschriften von Abgeordneten vorlegen werde, die bereit seien, seine Regierung zu unterstützen. Das wäre die absolute Mehrheit des Parlaments. Babiš verfügt mit seiner Bewegung ANO über nur 78 Mandate der 200 im Abgeordnetenhaus.

Allgemein wird in Prag aber davon ausgegangen, dass sich einige Parteien am Ende doch bereit finden könnten, mit Babiš zu koalieren. Die Rede ist von den Sozialdemokraten und den Christdemokraten, aber auch von der konservativen Bürgerpartei ODS.

In der emotionalen Debatte bei der am Mittwoch im Parlament angesetzten Vertrauensabstimmung trat auch Zeman auf. Er warb dafür, Babiš das Vertrauen auszusprechen. „Seit den alten Römern gilt die Unschuldsvermutung“, bis jemand rechtskräftig verurteilt sei. Außerdem gelte stets der Spruch „Im Zweifel für den Angeklagten“. Zeman erinnerte zudem daran, dass in Tschechien 80 Prozent aller Korruptions- oder Betrugsverfahren mit einem Freispruch der Angeklagten ausgegangen seien. Zunächst blieb Babiš aber noch eine Galgenfrist. Das Parlament vertagte am Abend eine Entscheidung auf Dienstag. (hjs)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2018)

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