Streit bei Sozialisten stürzt Rumänien in Regierungskrise

Rumäniens Premier Tudose verlässt die Sitzung seiner Sozialisten. Er ist zurückgetreten, weil er nicht mehr das Vertrauen der eigenen Partei hat.
Rumäniens Premier Tudose verlässt die Sitzung seiner Sozialisten. Er ist zurückgetreten, weil er nicht mehr das Vertrauen der eigenen Partei hat. (c) REUTERS
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Zum zweiten Mal innerhalb von sieben Monaten sägen die Sozialisten den Premierminister aus der eigenen Partei ab. Im Hintergrund zieht der mächtige Parteichef Liviu Dragnea die Fäden. Er darf wegen einer Bewährungsstrafe nicht selber die Regierungsgeschäfte übernehmen.

Belgrad/Bukarest. Noch tiefer als sonst wirkten die Falten im zerfurchten Antlitz des rumänischen Regierungschefs im Blitzlichtgewitter der Fotografen. Er gehe „erhobenen Hauptes“. Mit diesen Worten verkündete Premier Mihai Tudose nach nur sechs Amtsmonaten seinen vorzeitigen Abtritt. Zuvor hatte das Exekutivkomitee der regierenden Sozialisten (PSD) dem 50-Jährigen mit 60 zu vier Stimmen das Misstrauen ausgesprochen. „Die Partei hat entschieden, dass eine andere Regierung benötigt wird“, sagte er. „Und ich wollte die Partei nicht spalten.“

Rumänien kommt damit politisch nicht zur Ruhe: Zum zweiten Mal in sieben Monaten haben die Sozialisten dem eigenen Premier den Laufpass gegeben. Und zum dritten Mal innerhalb eines Jahres will der allgewaltige Parteichef Liviu Dragnea mit der PSD-Europaabgeordneten Vasilica Viorica D?ncil? nun eine ihm genehme Statthalterin auf der Regierungsbank installieren. „Es konnte so nicht länger weitergehen“, begründet er die Regierungsrochade: Die Unzufriedenheit in der PDS über Konflikte zwischen der Partei und der Regierung, aber auch im Kabinett selbst sei einfach zu groß geworden.

Wenn der starke Strippenzieher es will, stehen Rumäniens Regierungsräder still. Aufgrund einer einer Bewährungsstrafe wegen Wahlbetrugs darf der machtbewusste Dragnea die Regierungsgeschäfte nicht selbst führen. Stattdessen versucht der 55-Jährige die Geschicke im Karpatenstaat seit dem Wahltriumph seiner PSD im Dezember 2016 durch ihm genehme Vertrauensleute zu lenken.

Viel Glück und Geschick war dem PSD-Vormann beim Regieren vom Rücksitz aus allerdings bisher nicht beschieden. Schon mit dem im Juni durch ein Misstrauensvotum der eigenen Partei aus dem Amt gezwungen Ex-Premier Sorin Grindeanu hatte sich Dragnea zerstritten. Und auch mit dem von ihm installierten Nachfolger Tudose überwarf sich der PDS-Chef bald. Die PSD habe ihre Glaubwürdigkeit völlig verloren, sagt Ludovic Orban, Chef der größten Oppositionspartei PNL, und fordert Neuwahlen. Rumänien sei „in die Hände einer vergifteten Gruppe“ gefallen: „Was immer sie auch tut, es ist gegen die Interessen des Landes.“

Präsident startet Konsultationen

Alle Augen ruhen nun auf dem deutschstämmigen Staatschef Klaus Johannis, der am Dienstag vorläufig den bisherigen PSD-Verteidigungsminister Mihai-Vivorel Fifor als geschäftsführenden Regierungschef vereidigt hat. Für den heutigen Mittwoch hat Johannis Konsultationen mit allen Parlamentsparteien angekündigt.

Laut rumänischen Medien soll der der PNL nahestehende Präsident eher dazu geneigt sein, erneut einen Premier der größten Parlamentsfraktion zu vereidigen als den Ruf der Opposition nach Neuwahlen zu befolgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2018)

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