Österreich/Ungarn: Kein „Paks vobiscum“ für Viktor Orbán in Wien

Viktor Orbán.
Viktor Orbán.(c) REUTERS (MICHAELA REHLE)
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Die österreichische Regierung wird beim Europäischen Gerichtshof gegen das Atomkraftwerk in Paks klagen. Die Causa überschattet den bevorstehenden Österreich-Besuch des ungarischen Premierministers.

Wien/Brüssel. Eigentlich sollte der für 30. Jänner avisierte Besuch von Viktor Orbán in Wien freundlich vonstattengehen und die inhaltlichen Gemeinsamkeiten der mitteleuropäischen Nachbarn Österreich und Ungarn bei der Bekämpfung illegaler Einwanderung und der künftigen Ausrichtung der Europäischen Union illustrieren. Doch der von langer Hand geplante offizielle Besuch („Die Presse“ berichtete am 10. Jänner über die bevorstehende Visite) steht unter keinem guten Stern – denn parallel zur Friedensbotschaft an den in der EU-Hauptstadt in Verruf geratenen illiberalen Nachbarn geht die türkis-blaue Regierung gezielt gegen Ungarns ökonomische Interessen vor.

Am gestrigen Montag kündigte Österreich eine Klage gegen den Ausbau des ungarischen Atomkraftwerks Paks vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) an. Die Bundesregierung werde eine Nichtigkeitsbeschwerde gegen eine diesbezügliche Entscheidung der EU-Kommission einbringen, sagte ein Sprecher von Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP). Im Mittelpunkt der geplanten Klage steht der Beschluss der Brüsseler Behörde, den Ausbau von Paks als unbedenklich einzustufen. Das Großprojekt wird durch einen Kredit in der Höhe von zehn Milliarden Euro von Russland an Ungarn finanziert, die Kommission genehmigte staatliche Beihilfen Ungarns, auch das Vertragsverletzungsverfahren gegen Budapest wegen der Vergabe des Bauauftrags an den russischen Staatskonzern Rosatom (es ging um die Frage, ob Ungarn die Russen bei der Ausschreibung bevorzugt behandelt hatte) wurde eingestellt. Derzeit verfügt das AKW Paks über vier Reaktoren, die in den 1980er-Jahren gebaut wurden – sie sollen durch zwei neue Reaktorblöcke ergänzt werden.

In Brüssel reagierte man auf die Ankündigung der Klage mit betonter Gelassenheit: „Wir werden unsere Position vor Gericht verteidigen“, erklärte ein Sprecher der EU-Kommission. Einhellige Zustimmung gab es indes vonseiten der Umweltschützer. „Atomkraft ist nicht wettbewerbsfähig, und falls das AKW Paks II gebaut wird, wird es zu schweren Marktverzerrungen kommen“, sagte gestern Benedek Jávor, Europaabgeordneter der ungarischen Grünen und Vizevorsitzender des Umweltausschusses im Europaparlament. Ohne komplexe staatliche Subventionen oder Direktinvestitionen seien AKW-Neubauten weltweit nicht möglich, dies würde jedoch dem Wettbewerbsrecht der EU widersprechen. Global 2000 und Greenpeace lobten die Bundesregierung, auch die IG Windkraft pflichtete bei.

Weniger Familiengeld

Die Causa Paks ist nicht der einzige Streitfall zwischen Wien und Budapest. Auch die von Türkis-Blau angestrebte Anpassung der Familienbeihilfe für EU-Ausländer an das Niveau des Herkunftslandes hat hohes Konfliktpotenzial. Die Maßnahme würde vor allem jene Menschen treffen, die aus dem benachbarten Ausland nach (Ost-)Österreich pendeln. Schätzungen zufolge wären rund 130.000 Kinder von der Kürzung der Familienbeihilfe betroffen. Nach Angaben des Sozial- und Arbeitsministeriums stammte im Vorjahr jeder fünfte in Österreich unselbstständig beschäftigte EU-Ausländer aus Ungarn – 86.486 von insgesamt 425.847. (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2018)

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