Der abgesetzte Regionalpräsident Kataloniens reist erstmals von seinem Brüsseler Exil ins Ausland, Madrid verzichtet aber auf seine Festnahme. Separatisten nominieren ihn für das Amt des Regionalchefs.
Madrid. In Spanien wird der frühere katalanische Ministerpräsident mit Haftbefehl gesucht. Doch im Ausland kann sich Spaniens prominentester Justizflüchtling frei bewegen. Am Montag nutzte Kataloniens Separatistenchef Carles Puigdemont, der seit fast drei Monaten im Exil in Brüssel ausharrt, diese Bewegungsfreiheit: Er flog unbehelligt nach Kopenhagen, um dort an einer Konferenz über den katalanischen Unabhängigkeitskonflikt in Katalonien und dessen Folgen für Europa teilzunehmen.
Die Hoffnung der Staatsanwaltschaft, Puigdemont während dieses Ausflugs nach Kopenhagen festnehmen zu können, erfüllte sich nicht. Der Oberste Gerichtshof in Madrid, wo gegen Puigdemont wegen Rebellion und Veruntreuung ermittelt wird, hat die Ausstellung eines EU-Haftbefehls abgelehnt. Untersuchungsrichter Pablo Llarena war sich nicht sicher, ob Puigdemont nach einer Festnahme tatsächlich an Spanien überstellt würde. Spaniens federführender Oberster Gerichtshof vertraut darauf, dass Puigdemont früher oder später wieder spanischen Boden betreten wird. Dann muss der Separatistenführer, der laut Ermittlern versucht hat, mit illegalen Methoden die Unabhängigkeit Kataloniens zu erzwingen, auf jeden Fall mit seiner Festnahme rechnen.
Kommt Puigdemont zurück?
Eine Gelegenheit könnte sich vielleicht schon bald bieten: Denn Kataloniens Separatisten eroberten in der regionalen Neuwahl im Dezember wieder die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament. Und sie sind entschlossen, Puigdemont wieder zum Ministerpräsidenten zu küren.
Am Montag hat Roger Torrent, frischgebackener Parlamentsvorsitzenden der Region, der ebenfalls dem Separatistenlager angehört, bekräftigt, dass noch im Jänner die Wahl des neuen katalanischen Ministerpräsidenten ansteht. Parlamentschef Torrent verkündete, dass für das Amt nun ganz offiziell Puigdemont nominiert worden sei. Die Kandidatur sei „vollkommen legitim“, meinte Torrent, auch wenn er sich der „juristischen Lage“ Puigdemonts bewusst sei.
Dass Problem ist nur, dass Puigdemont sein Regierungsprogramm im Parlament präsentieren muss. Dies dürfte schwierig werden. Eine Antrittsrede aus der Ferne, etwa per Videoschaltung, ist laut Juristen nicht möglich. Sollte Puigdemont trotzdem auf diese Weise gekürt werden, dürfte das Verfassungsgericht die Wahl annullieren. Daher wird nicht ausgeschlossen, dass der Separatistenführer doch noch überraschend nach Spanien zurückkehrt und sich festnehmen lässt – in der Hoffnung, dass ihm der Untersuchungsrichter dann erlauben könnte, als U-Häftling bei der Ministerpräsidentenwahl anzutreten. Das ist keineswegs so abwegig, wie es klingt: Einen ähnlichen Fall gab es schon einmal mit einem Ministerpräsidentenkandidaten im Baskenland, der wegen Terrorverdachts in U-Haft saß.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2018)