Türkische Luftangriffe sollen historischen Tempel beschädigt haben

Die Türkei fliegt Luftangriffe auf kurdische Stellungen in der syrischen Region Afrin.
Die Türkei fliegt Luftangriffe auf kurdische Stellungen in der syrischen Region Afrin.APA/AFP/OZAN KOSE
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Syrien beklagt schwere Schäden am 1000 Jahre alten Tempel im syrischen Afrin. Die Türkei nahm 300 Personen in der Türkei wegen "Terrorpropaganda" über den türkischen Einsatz in der Afrin fest.

Türkische Luftangriffe in der syrischen Region Afrin sollen einen 3000 Jahre alten hittitischen Tempel schwer beschädigt haben. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte und die syrische Antikenbehörde teilten am Sonntag mit, der Luftangriff am Freitag habe die Tempelanlage von Ain Dara getroffen, die aus der aramäischen Ära zwischen 1300 und 700 vor Christus stammt.

Demnach wurde die neo-hittitische Anlage teilweise zerstört. Die Antikenbehörde in Damaskus sprach von einem Angriff auf "eine der wichtigsten Bauten der Aramäer in Syrien im ersten Jahrtausend vor Christus". Der frühere Antikendirektor Maamun Abdulkarim sagte, der Tempel sei 1982 entdeckt worden und sei bekannt für seine "außergewöhnlichen kolossalen Basaltlöwen". Abdulkarim beklagte, dass "3000 Jahre Zivilisation bei einem Luftangriff zerstört" worden seien.

Die türkische Armee hat Meldungen über die Bombardierung archäologischer Stätten in Syrien dementiert. "Religiöse und kulturelle Bauten, historische Denkmäler, archäologische Relikte und gemeinnützige Einrichtungen" gehörten "definitiv nicht zu den Zielen", teilten die türkischen Streitkräfte (TSK) am Dienstag mit.

Die Anlage sei zu 60 Prozent zerstört, erklärte hingegen die Beobachtungsstelle, die der syrischen Opposition nahesteht und ihre Informationen von Aktivisten vor Ort bezieht. Abdulkarim verglich die Zerstörung von Ain Dara mit der Sprengung des Bal-Tempels in Palmyra durch die Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS). Der frühere Antikendirektor äußerte zudem Sorge um die Sicherheit anderer antiker Stätten im Nordwesten Syriens.

300 Festnahmen seit Beginn von Operation "Olivenzweig"

Seit Beginn der türkischen Offensive gegen die syrischen Kurden in Afrin sind in der Türkei mehr als 300 Menschen wegen "Terrorpropaganda" festgenommen worden. Wie das Innenministerium in Ankara am Montag mitteilte, stieg die Zahl der Festnahmen auf 311. Bereits in den ersten Tagen nach Beginn der Operation "Olivenzweig" am 20. Jänner waren bei Razzien Dutzende Verdächtige inhaftiert worden.

Den Festgenommenen wird vorgeworfen, in den sozialen Medien "Propaganda" für die von Ankara als Terrororganisation eingestuften kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) zu betreiben. Die Türkei betrachtet die YPG als syrischen Zweig der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die seit 1984 im Südosten Anatoliens gegen den Staat kämpft. Mit der Operation will Ankara nun die YPG-Kämpfer aus Afrin vertreiben.

Die türkische Regierung warnte die Öffentlichkeit seit Beginn der Offensive immer wieder vor "Lügen und Propaganda" und ruft die Medien zur Wachsamkeit gegen falsche und manipulierte Bilder auf, die im Internet verbreitet würden. Das Presseamt stellte ein Dossier mit Fotos aus den sozialen Netzwerken zusammen, die Vorfälle in Afrin zeigen sollen, aber laut dem Presseamt in Wahrheit aus anderen Kontexten stammen.

Nur HDP stellt sich gegen "Invasion"

In der Türkei wird die Offensive von praktisch sämtlichen Medien unterstützt. Auch die beiden Oppositionsparteien CHP und MHP haben sich hinter das Vorgehen der Regierung gestellt. Die einzige Partei, die die Militäroperation in Afrin offen kritisiert, ist die prokurdische HDP. In einem Schreiben an die Vereinten Nationen und die Europäische Union rief sie am Montag die Staatengemeinschaft zum Handeln gegen die "Invasion" auf.

"Diese Invasion bringt die Zerstörung des Krieges in Syrien nach Afrin, das bisher eine weitgehend sichere Region war", mahnt die HDP in dem Schreiben. Die türkische Armee werde bei dem Angriff von mehreren "Jihadistengruppen" unterstützt. Es gebe keine "Sicherheitsbedrohung" aus Afrin, dies diene der Türkei nur als Vorwand, die politischen Gewinne der Kurden in Syrien zunichte zu machen, kritisierte die HDP.

Entgegen der Darstellung Ankaras verstoße die Operation zudem klar gegen internationales Recht, kritisierte die prokurdische Partei. Demnach wurden bisher 209 ihrer Mitglieder wegen "Terrorpropaganda" festgenommen. Die Partei steht schon lange im Visier der Regierung, die sie als politischen Arm der PKK betrachtet. Die HDP bestreitet jede Verbindung zu der als Terrororganisation eingestuften Rebellengruppe.

(APA/AFP)

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