In einer privaten Whatsapp-Nachricht klagt der Sezessionistenchef über die „letzten Tagen der katalanischen Republik“: Der Unabhängigkeitskampf sei vorbei, stellt er fest.
Barcelona/ Wien. Die harte Madrider Zermürbungstaktik in Katalonien zeigt offenbar doch Wirkung. Insgeheim hat sich inzwischen sogar Sezessionistenchef Carles Puigdemont vom Unabhängigkeitskampf verabschiedet – auch wenn sich der Ex-Regionalpräsident vom Brüsseler Exil aus siegesbewusst gibt und das „unabhängige Katalonien“ in greifbarer Nähe sieht.
Denn so klingt der nach Belgien geflohene Politiker, wenn er im Privaten seinen katalanischen Zukunftsgedanken freien Lauf lässt: „Das sind die letzten Tage der katalanischen Republik. Der Plan der Moncloa (spanischer Regierungssitz, Anm.) ist aufgegangen“, schrieb Puigdemont in einem Moment der Schwäche seinem ebenfalls im belgischen Exil lebenden Ex-Gesundheitsminister Toni Comín. In einer langen WhatsApp-Konversation ließ Puigdemont seinem Frust freiem Lauf: „Es ist vorbei. Die Unsrigen haben uns geopfert, zumindest mich.“ Und: „Ich hoffe nur, dass wenigstens alle (inhaftierten Separatisten, Anm.) aus dem Gefängnis kommen. Sonst sind wir ein Witz der Geschichte.“
Ein Team des spanischen TV-Senders Telecinco filmte Comín, während er die Whatsapp-Nachrichten seines verbitterten Ex-Chefs las. Anlass für die Konversation dürfte am Dienstag das verschobene Parlamentsvotum über den neuen Regionalchef in Barcelona gewesen sein: Eigentlich hätte Puigdemont „in absentia“ gewählt werden sollen, seine Partei wurde bei vorgezogenen Regionalwahlen im Dezember ja stärkste separatistische Kraft. Dank der Mehrheit sezessionistischer Stimmen stand der Wiederwahl des Ex-Regionalchefs nichts im Wege. Doch Spaniens Premier Mariano Rajoy machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Um ein separatistisches Revival in Barcelona zu verhindern, setzte er auf seine bewährte Taktik: Er klagte. Puidgdemont müsse zur Wahl im Parlament anwesend sein, hieß es. Dem katalanischen Politiker droht aber das Gefängnis, sobald er Spanien betritt: Er wurde wegen Aufruhr, Rebellion und Veruntreuung öffentlicher Gelder im Zuge des Unabhängigkeitsprozesses angeklagt.
Im Gegensatz zum sezessionistischen Referendum im Oktober, das von Madrid verboten worden war, wollen jetzt immer mehr Separatisten in Barcelona eine neue Totalkonfrontation vermeiden. Nach Monaten des Ausnahmezustands, der Spannungen auf den Straßen und Verhaftungen führender Politiker, mehren sich die Zeichen, dass zumindest ein Teil des separatistischen Lagers den pragmatischen Weg wählt. Auffallend ist der deutlich gemäßigte Grundton trotz medienwirksamer Freiheitsparolen: So will sich inzwischen nicht einmal mehr der „harte Kern“ in Puigdemonts Partei auf einen Zeitplan für die Unabhängigkeit festlegen: Bei entsprechenden Fragen bleibt man vage, den „unilateralen Weg“ Richtung katalanische Republik fordert mittlerweile ohnehin nur noch die linksradikale Kleinpartei CUP.
„Auch ich bin ein Mensch“
Für Mäßigung sind vor allem die Linksrepublikaner: Deren Chef, Oriol Junqueras, sitzt weiterhin in U-Haft. Madrid will die Notstandsgesetze in Katalonien erst aufheben, sobald es eine neue Regierung gibt. Dann, so munkelt man, könnten auch die noch verhafteten Separatisten freikommen.
So treten die Linskrepublikaner hinter den Kulissen offenbar für einen Kompromisskandidaten als neuen Regionalchef ein – obwohl sie öffentlich weiterhin Puigdemont unterstützen.
Bezeichnenderweise hat Parlamentspräsident Roger Torrent von den Linksrepublikanern am Dienstag die Wahl des Regionalchefs verschieben lassen: Offiziell will er auf eine „klare Entscheidung des Verfassungsgerichts“ warten. Aber Beobachter in Barcelona sind überzeugt, dass er bereits an einen Kandidaten aus den eigenen Reihen denkt. Torrent erntete gestern jedenfalls massive Kritik der Puigdemont-Abgeordneten und der linksradikalen CUP-Sezessionisten wegen der Verschiebung der Parlamentswahl. „Nur mit zivilem Ungehorsam können wir unsere Republik verwirklichen“, donnerten sie.
Selbst Puigdemont scheint klar zu sein, dass das Unabhängigkeitsabenteuer samt Karriere als Unabhängigkeitsheld dem Ende zugeht. Verzweifelt versuchte er über Twitter, seinen Ruf zu retten: Er glaube weiterhin fest an eine katalanische Unabhängigkeit, beteuerte er. „Wir machen weiter!. Aber auch ich bin ein Mensch und zweifle manchmal.“ Sein Konversationspartner Comín will Telecinco klagen.
Kein Kommentar kam aus Madrid. Dort dürfte man sich klammheimlich über diese Zerwürfnisse unter Separatisten freuen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2018)