Berichten zufolge will Ankara im syrischen Afrin auf die Erfahrungen von Kämpfern der Terrormiliz IS zurückgreifen.
Ankara/Wien. Seit die Türkei die „Operation Olivenzweig“ im syrisch-kurdischen Afrin gestartet hat, kämpft sie an vorderster Stelle mit den türkischen Soldaten mit: die Freie Syrische Armee (FSA). Ob und inwieweit es sich bei der FSA um freie und demokratische Kräfte handelt, ist höchst umstritten. Analysten gehen davon aus, dass sich diese „Armee“ zu einem großen Teil aus jihadistischen Kräften zusammensetzt.
Die britische Zeitung „Independent“ geht einen Schritt weiter: Ihren Recherchen zufolge stammten Teile der FSA-Kämpfer, die gegen Kurden in Afrin im Einsatz sind, aus dem Milieu des sogenannten Islamischen Staats (IS). Türkische Soldaten würden sie für den Einsatz gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) rekrutieren.
Aus Sicht der Türkei bringen die ehemaligen IS-Kämpfer insofern einen Vorteil mit, da sie sich in der Region auskennen und hier Kampferfahrung haben, schreibt die Zeitung. Nur was die Taktik betrifft, würden sie von türkischen Militärs eine gesonderte Ausbildung erhalten, wie ein ehemaliger IS-Kämpfer schildert: Türkische Soldaten würden von den für den IS typischen Selbstmordattentaten abraten. Damit wäre der Einsatz von IS-Kämpfern in Afrin zu eindeutig, sagt der Mann. Videos, die online kursieren und deren Authentizität schwer nachzuprüfen ist, zeigen FSA-Mitglieder in Afrin, die sich damit rühmen, früher in Tschetschenien und für den Terrorpaten Osama bin Laden gekämpft zu haben.
Bei der FSA handle es sich nicht um Terroristen, betonte unlängst der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan. Dass unter dem Dach der FSA verschiedene Ethnien kämpfen, stimmt sicherlich, aber bei den meisten dürfte es sich um Sunniten handeln. Es ist aber weder eine Hierarchie noch eine einheitliche Struktur – beispielsweise eine Uniform – erkennbar.
US-Flagge auf dem Fahrzeug
Offiziell bekämpft Ankara den IS, die jihadistische Terrorgruppe ist auch für zahlreiche Anschläge in der Türkei verantwortlich. Etliche Terrorattentate gehen auch auf das Konto der kurdischen PKK, die YPG gilt als deren Schwesterorganisation in Syrien. Bei der Bekämpfung des IS in Syrien waren die Kurden eine ausschlaggebende Kraft, weswegen sie auch von den USA unterstützt wurden.
Mit Beginn der „Operation Olivenzweig“ richtete Washington Ankara aus, dass sich die Türkei auf die Bekämpfung der Jihadisten konzentrieren solle. Konfliktpotenzial zwischen den Nato-Partnern USA und Türkei gibt es nicht nur wegen Afrin: Erdoğan sagte jüngst, dass man auch in das nordsyrische Manbij einmarschieren werde, das ebenfalls von der YPG kontrolliert wird und wo US-Kräfte stationiert sind. Wie die „New York Times“ berichtet, haben US-Soldaten dort vorsorglich US-Flaggen auf ihren Fahrzeugen positioniert – als offensiven Hinweis für die protürkischen Kräfte, wer dort das Sagen habe.
Die Türkei ist an einem kurdischen Autonomiegebiet entlang ihrer Grenzen nicht interessiert, zumal der Friedensprozess mit den Kurden im Land gescheitert ist. Regierungsnahe Medien berichten täglich über den „notwendigen Einsatz“ in Afrin: Die Zeitung „Sabah“ beispielsweise schreibt von kurdischen Familien, die Familienmitglieder verloren hätten, nachdem diese von der YPG rekrutiert worden waren.
>> Artikel in "The Independent"
(duö)