Assad und die Kurden: Zwei Gegner finden einen gemeinsamen Feind

Die kurdischen YPG-Truppen hoffen auf Hilfe von Syriens Präsdient Bashar al-Assad.
Die kurdischen YPG-Truppen hoffen auf Hilfe von Syriens Präsdient Bashar al-Assad.APA/AFP/DELIL SOULEIMAN
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Kurden und syrische Regierung schließen einen militärischen Deal: Al-Assad bringt Grenzwachen im kurdisch-kontrollierten Grenzgebiet zur Türkei in Position, um die Kurden vor türkischen Angriffen zu schützen.

Zwei Kriegsgegner entdecken gemeinsame Interessen: Die von der türkischen Armee angegriffenen Kurden im nordsyrischen Bezirk Afrin bündeln ihre Kräfte mit der Regierung in Damaskus gegen Ankara. Die syrische Armee werde Grenzposten in der Region Afrin stationieren, sagte der hochrangige Kurdenvertreter Badran Jia Kurd der Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag. Die Truppen von Syriens Machthaber al-Assad könnten innerhalb von zwei Tagen dorthin verlegt werden. Die Kurden in Afrin hatten zuvor die Assad-Armee zur Hilfe gegen die Türkei aufgerufen. 

Erste Anzeichen, dass die Vereinbarung tatsächlich existiert, liefert die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana am Montag: "Volkskräfte werden binnen Stunden in Afrin eintreffen, um den Widerstand des Volkes gegen den Angriff des türkischen Regimes zu unterstützen", hieß es dort. Die Kurdenpartei PYD sprach am Montag jedoch noch von "Verhandlungen mit der Regierung unter Vermittlung von Russland", sagte Salih Muslim.

Es sei nicht einfach, eine Vereinbarung mit der Regierung von Präsident Bashar al-Assad zu treffen, "denn für uns macht es keinen Unterschied, ob wir von der Türkei unterdrückt werden oder von diesem Regime der Baath-Partei", sagte Muslim in Berlin.

Der Syrien-Krieg bekommt eine neue Facette im kaum durchschaubaren Gewirr aus Allianzen, Koalitionen und Fronten. Im Westen, an der Grenze zur Türkei haben die Regierung und die Kurden einen gemeinsamen Feind: die Türkei. Bis auf einen rund 100 Kilometer breiten Korridor kontrolliert die YPG das Grenzgebiet zur Türkei, die die Kurdenmiliz bekämpft, weil sie sie als Ableger der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK sieht.

"Internationales Schweigen"

Die Beziehungen von Kurden und syrischer Armee sind komplex. Beide Seiten halten größere Gebiete des Landes als alle anderen beteiligten Kriegs-Parteien, was ihnen eine wichtige Position in den Friedensverhandlungen verleiht. "Wir können mit jeder Seite kooperieren, die uns eine helfende Hand reicht im Angesicht der barbarischen Verbrechen und des internationalen Schweigens", sagte Kurdenvertreter Badran Jia Kurd.

Einen direkten Konflikt mit den Kurden hat al-Assad weitestgehend vermieden, zeitweise hatte man sogar gemeinsame Gegner bekämpft, darunter Rebellengruppen, die derzeit der Türkei bei der Offensive in Afrin helfen. Doch beide Seiten haben eine grundlegend unterschiedliche Auffassung von der Zukunft Syriens. Beide Seiten haben sich zwar immer wieder positiv über ein mögliches Langzeitabkommen geäußert, doch al-Assad sagte auch, er wolle das ganze Land zurückgewinnen.

Kurdenvertreter Jia Kurd betont, dass das jetzige Abkommen ein streng militärisches und kein politisches sei. Es gebe auch Gegner des Deals. "Wir wissen nicht, bis zu welchem Ausmaß diese Vereinbarungen andauern werden, weil es Seiten gibt, die nicht zufrieden sind und sie zum Scheitern bringen möchten."

Türkei will Kurden nicht im Grenzgebiet

Die Türkei greift seit Jänner die Region um Afrin an. Ziel der Offensive im Nachbarland ist nach Darstellung der Regierung in Ankara die Vertreibung kurdischer Milizen aus der Nähe der türkisch-syrischen Grenze, denn die Türkei fürchtet die Errichtung autonomer kurdischer Regionen auch auf eigenem Staatsgebiet und geht massiv gegen kurdische Unabhängigkeitsbestrebungen vor.

Die Militäroffensive der Türkei in Nordsyrien verschärft auch zunehmend die Spannungen zwischen dem Land und seinen Nato-Verbündeten, allen voran den USA. Denn die USA hat die YPG-Kämpfer bewaffnet und als Teil ihrer Allianz gegen den Islamischen Staat eingebunden. Doch obwohl die USA im Osten Syriens eine starke Militärpräsenz in den Kurdengebieten zeigen, haben sie die YPG im Westen, im Grenzgebiet zur Türkei, bisher nicht unterstützt.

In den vergangenen Monaten haben sich aber die Spannungen zwischen beiden Seiten erhöht, und die Regierung hat mit einem Einmarsch in Gebiete im Osten und Norden des Landes gedroht, die die Syrischen Demokratischen Streitkräfte (SDF) mit US-Unterstützung von der Extremistenmiliz IS eingenommen hat. Um dies zu untermauern, griffen jüngst regierungstreue Milizen die SDF in der Ostprovinz Deir al-Sor an, was einen massiven Gegenangriff der US-geführten Koalition zur Folge hatte. "Die Positionen der YPG und des Regimes über die Zukunft Nordost-Syriens liegen noch weit auseinander", sagt der Syrien-Experte der International Crisis Group, Noah Bonsey, der Nachrichtenagentur Reuters.

(Reuters/Red.)

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