Präsident Trump tritt für eine Bewaffnung der Lehrer ein und stellt so die einflussreiche Waffenlobby zufrieden.
Washington. Nur ein paar Meter trennen die beiden Männer, doch es liegen Welten zwischen ihnen. Fred Guttenberg hat seine 14-jährige Tochter Jamie verloren, die beim Schulmassaker von Florida vorige Woche von einer Kugel aus einem Sturmgewehr AR-15 in den Rücken getroffen wurde und starb. Jetzt will Guttenberg von Senator Marco Rubio wissen, ob er sich dem Ruf nach einem Verbot solcher Waffen anschließt, die Armeewaffen gleichen, aber bisher frei erhältlich sind. Rubio sagt Nein. Guttenberg ist außer sich. „Das ist eine Kriegswaffe“, sagt er.
Senator Rubio, einer der führenden Hardliner in der US-Diskussion über das Waffenrecht, stellt sich in dem Ort Sunrise, nur fünf Kilometer südlich der Schule, in der Jamie Guttenberg und 16 andere Menschen starben, in einer Live-Sendung von CNN den Fragen von Schülern, Eltern und Lehrern. Rubio lehnt nicht nur Waffenverbote ab, er bekennt sich auch zu Wahlkampfspenden der Waffenlobby NRA.
2000 Todesopfer seit Jahresbeginn
Es ist ein Abend, an dem die Gräben in der US-Gesellschaft offengelegt werden – und an dem deutlich wird, dass trotz der landesweiten Empörung über den jüngsten Massenmord an einer US-Schule die Front der Ablehnung weitreichender Reformen der Waffengesetzgebung steht. NRA-Sprecherin Dana Loesch schiebt in der CNN-Sendung die Schuld an dem Massenmord auf die Behörden, die es Geisteskranken ermöglichten, tödliche Waffen zu kaufen. Die Waffen selbst sind für sie nicht das Problem, trotz der mehr als 2000 Todesopfer durch Schusswaffen in den USA allein seit Jahresbeginn.
Doch die Proteste der Schülerbewegung, die sich nach den Schüssen an der Douglas High School gebildet hat und die weltweit für Schlagzeilen sorgt, perlen an Loesch, Rubio und den harten politischen Realitäten der USA ab. Loesch nennt Nikolas Cruz, den Todesschützen von Florida, ein „Monster“ und verweist darauf, dass selbst die NRA für ein Verbot der Schnellfeuerstutzen eintritt, die aus einer halb automatischen AR-15 ein Maschinengewehr machen.
Loeschs Argument wirkt merkwürdig, denn Cruz setzte bei seinem Massaker keinen Schnellfeuerstutzen ein, als er 17 Menschen tötete. Die NRA will nun eine Vorrichtung verbieten lassen, die nichts mit den Morden an der Douglas High School zu tun hat, um weitergehende Schritte zu vermeiden. Damit liegt sie ziemlich genau auf der Linie von Donald Trump. Auch der Präsident hat am Mittwoch Angehörige der Opfer zu einem Treffen eingeladen.
Trumps Spickzettel
Im Weißen Haus hört der 71-Jährige den Redebeiträgen zu. Ein Spickzettel in seiner Hand, der von den Kameras vergrößert wird, verdeutlicht nach Meinung von Kritikern, wie schwer es dem Präsidenten fällt, sich in die Lage der Betroffenen zu versetzen. Trump habe sich doch tatsächlich den Satz „Ich höre euch zu“ notieren müssen, merkt die „Washington Post“ an.
Trumps Fazit der Begegnung demonstriert, dass er vor allem gehört hat, was er hören wollte. Er verspricht zwar eine strengere Überprüfung von potenziellen Waffenkäufern; auch eine Erhöhung des Mindestalters für den Kauf von Sturmgewehren kann er sich vorstellen. Vor allem aber setzt der Präsident auf mehr – statt weniger – Waffen in Amerikas Schulen. Ein gut ausgebildeter und bewaffneter Lehrer könne einen Angreifer „sehr schnell“ und noch vor Eintreffen der Polizei unschädlich machen, sagt er. Billiger als Wachleute seien Waffen für die Lehrer obendrein, fügt Trump via Twitter hinzu. Bestehende Waffenverbote in Schulen dagegen zögen Gewalttäter geradezu an. Die NRA wird es mit Freude vernommen haben.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2018)