Niederlande: Ankara bestellt nach Völkermord-Beschluss Geschäftsträger ein

(c) REUTERS (Murad Sezer)
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Ankara will den Entscheid des niederländischen Parlaments, das Massaker an Armeniern im Osmanischen Reich, als Völkermord zu bezeichnen nicht anerkennen. Die Beziehungen zwischen den Nato-Partnern könnten sich nun weiter verschlechtern.

Das niederländische Parlament hat den im Osmanischen Reich an Armeniern begangenen Massenmord als Völkermord anerkannt. Mit überwältigender Mehrheit stimmten die Abgeordneten am Donnerstag einem entsprechenden Antrag zu. Ankara reagierte prompt: Es bestellte den Geschäftsträger der Niederlande ins Außenministerium ein.

Noch am Donnerstagabend hatte das türkische Außenministerium den Schritt des Parlaments aufs "Schärfste" kritisiert. Die Entscheidung habe "keine rechtliche Verbindlichkeit und Gültigkeit", teilte das türkische Außenministerium am Abend mit. Die Türkei warf den Niederlanden zudem vor, das Massaker in Srebrenica 1995 an bosnischen Muslimen geduldet zu haben.

Die niederländische Regierung wird den Völkermord zwar nicht anerkennen und kündigte an, weiterhin von "der Frage des armenischen Genozids" zu reden, die Anerkennung des an Armeniern begangenen Massenmordes als Genozid könnte jedoch die ohnehin angespannten Beziehungen der Niederlande zur Türkei weiter verschlechtern.

Außenministerin mahnt zur "Zurückhaltung"

Es sei "Zurückhaltung geboten", sagte die amtierende Außenministerin Sigrid Kaag. Sie sicherte aber zu, dass ein Vertreter der Regierung beim Gedenken in Eriwan am 24. im April teilnehmen werde. "Das ist ein Zeichen des Respekts für die Opfer und Hinterbliebenen." Diese Geste sei aber nicht als stillschweigende Anerkennung zu bewerten.

Das Verhältnis der beiden NATO-Partner ist angespannt, nachdem die Niederlande im vergangenen März Auftritte türkischer Minister vor dem Referendum zur neuen Verfassung untersagt hatten. Anfang Februar hatten die Niederlande ihren Botschafter formell aus Ankara zurückgerufen. Als Grund nannte sie, dass Gespräche über eine Normalisierung der Beziehungen keine Einigung gebracht hätten. Der Botschafter war bereits seit März 2017 außer Landes.

Ministerin Kaag betonte, dass die Erklärung des Parlaments nichts mit dem Konflikt zu tun habe. "Diese Angelegenheit darf man nicht politisieren", betonte die linksliberale Politikerin.

"Keine Verurteilung der heutigen Regierung"

"Die Anerkennung des Völkermords ist keine Verurteilung der heutigen Regierung der Türkei", sagte auch der Abgeordnete der christlichen Regierungspartei ChristenUnie, Joel Voordewind. Von ihm ging die Initiative zur Anerkennung aus. 142 Abgeordnete hatten dafür gestimmt, nur drei dagegen.

Schätzungsweise bis zu 1,5 Millionen Armenier waren von 1915 an bei Massakern und Deportationen der christlichen Minderheit ums Leben gekommen. Die Türkei als rechtlicher Nachfolger des Osmanischen Reiches bedauert dies, lehnt die Einstufung als Völkermord aber strikt ab.

Das Massaker in Srebrenica hatten im Juli 1995 bosnisch-serbische Truppen verübt. Niederländische Blauhelm-Soldaten der Vereinten Nationen hatten den Angreifern die Stadt zuvor allerdings kampflos überlassen. Bei dem Massaker handelte es sich um den schlimmsten Völkermord nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa.

(APA/dpa/AFP)

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