Italiens stärkste Kraft arbeitet mit Rechts- und Linkspopulismus. Sie setzt offiziell auf Basisdemokratie, doch die Fäden zieht eine Internetfirma.
Rom. Eine Partei, die ein Schimpfwort im Namen trägt, wird wohl ein wichtiger Teil der kommenden Regierung Italiens. Die Fünf-Sterne-Bewegung gründete sich vor zehn Jahren, nicht etwa auf einem Parteitag, sondern auf einem sogenannten V-Day. Das V steht dabei für „vaffanculo“ und heißt so viel wie „Leck mich!“. Der Buchstabe wird seit jeher im Namen MoVimento 5 Stelle groß geschrieben.
Die Bewegung ist am Sonntag mit 32,5 Prozent der Stimmen die mit Abstand stärkste Partei bei den Wahlen in Italien geworden. Sie punktet vor allem damit, dass sie sich nicht verorten lässt, dass sie Themen sowohl aus dem linken als auch aus dem rechten Spektrum bedient: Man kümmere sich halt einfach um die Themen, die anstünden, hat der 31-jährige Luigi Di Maio, der Spitzenkandidat der Bewegung, der nun auf das Amt des Ministerpräsidenten schielt, im Wahlkampf immer wieder betont.
Kampf gegen Migration
In dem 20 Punkte umfassenden Wahlprogramm finden sich sowohl eine Art Bürgereinkommen als auch das Bekenntnis zur „Green Economy“, Steuererleichterungen und der Kampf gegen die Migration.
Ein Punkt fehlt jedoch in dem Programm, ein zentraler noch dazu, mit dem die Fünf-Sterne-Bewegung und auch Luigi Di Maio in den vergangenen Jahren die Wähler auf ihre Seite ziehen wollten: Ein Referendum über den Austritt Italiens aus dem Euro wird nicht mehr gefordert. Europapolitisch im Vordergrund steht stattdessen nun die Drei-Prozent-Regel, die die Neuverschuldung von EU-Mitgliedstaaten im Zaum halten soll. Um die Wirtschaft anzukurbeln, solle diese endlich ausgesetzt werden. Diese Forderung ist allerdings kein Alleinstellungsmerkmal der Fünf-Sterne-Bewegung, sie wurde quasi von allen großen Parteien im Wahlkampf erhoben.
Mal wird die Bewegung als links-, mal als rechtspopulistisch bezeichnet, dabei ist sie politisch schwer zu definieren. Sie punktet bei den Italienern weniger mit ihrem diffusen Programm als mit den Schlagwörtern „onestà“ (Ehrlichkeit) und „trasparenza“ (Transparenz). Diese beiden Eigenschaften scheinen die Bürger bei den Politikern anderen Parteien derart zu vermissen, dass sie der Bewegung blind vertrauen.
Auch ein handfester Skandal wenige Wochen vor der Wahl konnte das Ergebnis der Cinque Stelle nicht schwächen: 14 Abgeordnete der Bewegung haben gegen die Regeln der Partei verstoßen. Sie sind eigentlich per Statut dazu angehalten, Teile des Gehalts in einen Fonds einzuzahlen, der kleine Unternehmen unterstützt. Die Bewegung beklagt unter anderem die viel zu hohen Gehälter für Politiker und will diese laut Programm senken, sollte sie an die Regierung kommen. Die Betroffenen hatten allerdings bei den Belegen über die Rückzahlung getrickst und die Beiträge nicht in voller Höhe gezahlt. 1,4 Millionen Euro sollen laut italienischen Medien einbehalten worden sein.
Gemacht wird, was Grillo sagt
Über das Schicksal dieser Personen hat nun – ja, wer eigentlich? – zu entscheiden. Organisiert werden die Cinque Stelle über die Internetseite der Bewegung, einst der Blog von Gründer und Ex-Komiker Beppe Grillo. In „normalen“ Parteien gibt es Parteitage, lokale und nationale Direktorien. Die Fünf-Sterne-Bewegung hingegen stützt sich ganz auf Internet und die Schwarmintelligenz. Zumindest nach außen hin. Im Netz werden die Kandidaten für Wahlen gekürt, im Netz ist auch das aktuelle Wahlprogramm entstanden. Verwaltet wird die Website von Casaleggio Associati – einer Beraterfirma für Strategien im Internet. Diese wurde von dem im April 2016 gestorbenen Mitgründer der Fünf Sterne, Gianroberto Casaleggio, gegründet. Dessen Sohn, Davide Casaleggio, leitet heute die Firma und lenkt damit auch das Treiben auf der Parteiseite, die sich angelehnt an ihre Prinzipien der direkten Demokratie Plattform Rousseau nennt. Etwa 140.000 Mitglieder sind dort eingeschrieben.
Dadurch, dass die Firma Casaleggio die Macht über die Inhalte und Abstimmungen auf der Website der Bewegung innehat, entstehen statt direkter Demokratie leider häufig zweifelhafte Grauzonen. Der Eindruck entsteht immer wieder, dass die neue Form der direkten Demokratie bedeutet: Alle dürfen abstimmen, aber am Ende wird gemacht, was Grillo sagt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2018)