Seehofer, Scheuer, Müller und Bär gehen für die CSU in die Bundesregierung. Die Personalentscheidungen offenbaren aber auch: Die CSU hat ein Frauenproblem.
Berlin. Angela Merkel lächelt. Sie wirkt gelöst. Am 14. März wird sie vom Bundestag zum vierten Mal zur Kanzlerin gewählt. „Es ist jetzt gut und wichtig, dass es in ein paar Tagen auch losgeht“, sagte Merkel gestern. Europa und die Deutschen hätten lange genug auf eine neue Regierung gewartet, nämlich ein knappes halbes Jahr.
Rund 600 Kilometer südwestlich, in München, herrscht seit gestern auch wieder Ruhe und Ordnung. Das Ja der SPD zur Großen Koalition (GroKo) ermöglicht CSU-Chef Horst Seehofer die Rückkehr nach Berlin – und damit einen gesichtswahrenden Abgang nach dem verlorenen Machtkampf gegen Markus Söder, seinen baldigen Nachfolger als Ministerpräsidenten. Am 13. März tritt Seehofer als bayrischer Landeschef ab. Dann endet nach zehn Jahren die Ära Seehofer im Freistaat. Tags darauf, am 14. März, wird er schon in Berlin als Minister vereidigt. Zum ersten Mal seit 20 Jahren, seit Theo Waigel, sitzt dann wieder ein CSU-Chef nicht in München, sondern am Kabinettstisch in Berlin.
Seehofer, einst Bundesgesundheits-, dann Landwirtschaftsminister, führt künftig ein um Heimat und Bauen aufgewertetes Innenminosterium. Gestern stellte er auch seinen Staatssekretär Stephan Mayer vor: „Er ist ein Jurist!“, wie Seehofer kichernd bemerkte. Er spielte auf Thomas de Maizière an, den Noch-Innenminister, der jüngst stichelte, sein Nachfolger sollte Jurist sein. Seehofer selbst bezeichnete sich daraufhin augenzwinkernd als „Erfahrungsjuristen“.
Ein neues Staatsministerium
Für die weiteren CSU-Ministerien hatte der 68-Jährige eine mathematisch unlösbare Aufgabe zu lösen: Es gab drei Wunschkandidaten – für zwei Ressorts. Also schuf die CSU zusätzlich ein an das Kanzleramt angedocktes Staatsministerium für Digitalisierung, von dem im Koalitionsvertrag noch keine Rede war. Den Posten bekommt die „Doro“, wie Horst Seehofer gestern erklärte, als er, lässig, mit der Hand in der Hosentasche, die aufgereihten künftigen CSU-Regierungspolitiker vorstellte. „Doro“, also Dorothee Bär (39), war schon bisher als Staatssekretärin mit Digitalagenden betraut. Es ist nur eine kleine Beförderung, aber eine große Aufgabe. Empfangslöcher jenseits der Großstädte, eine papierene Verwaltung, eine seit zehn Jahren misslingende Einführung der e-card künden vom digitalen Reformstau.
Das Frauenproblem der CSU
Das Frauenproblem der CSU bleibt trotz der Personalie Bär: Der Anteil an Frauen (17 Prozent) unter den CSU-Abgeordneten wird nur von der AfD unterboten. Und die drei Bundesminister sind wieder Männer, darunter Andreas Scheuer.
Der 43-Jährige mit der markanten Hornbrille war seinem Chef, Seehofer, als Generalsekretär treu ergeben, was mit dem Verkehrsministerium entlohnt wird. Sein Vorgänger dort, Alexander Dobrindt (CSU), war wegen seiner Kungelei mit der Autoindustrie das Feindbild der Grünen. Nun drohen Diesel-Fahrverbote. Scheuer muss helfen, das zu verhindern. Eine Herkulesaufgabe.
Gerd Müller, nur Namensvetter der Fußballlegende, war als Entwicklungsminister so etwas wie der Gegenentwurf zu Dobrindt. Er polarisierte kaum, war auch jenseits des Weißwurstäquators wohlgelitten. Und er wird bleiben.
Scheuers Erbe als CSU-Generalsekretär wird indes Markus Blume antreten. Der 43-jährige Münchner ist kein Sprücheklopfer, sondern ein zurückhaltender Stratege. Der Job des CSU-Generals kann jedenfalls ein Sprungbrett sein, wie die Karrieren von Franz Josef Strauß, Edmund Stoiber oder Markus Söder belegen.
Zunächst muss Blume aber den Landtagswahlkampf mitorchestrieren. Je näher die Wahl im Herbst rückt, desto stärker wird in der CSU der Lautsprecher aufgedreht. Das war bisher noch immer so. Zuletzt gab es erste kleine Irritationen zwischen CSU und Schwester CDU. Als Dobrindt von einer „konservativen Revolution“ sprach, heulten sie in Berlin auf. Und als die Essener Tafel verkündete, keine zusätzlichen Ausländer mehr zu speisen, missfiel das Merkel. Die CSU aber zeigte umgehend Verständnis. Es könnte wieder ruppiger werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2018)