Die Außenminister Gabriel und Çavuşoğlu haben das Verhältnis entkrampft. Am Donnerstag kommt Ankaras Chefdiplomat nach Wien.
Wien/Berlin. Im Vorfeld des Verfassungsreferendums im Vorjahr hat Mevlüt Çavuşoğlu in einer Polemik über Nazi-Methoden in Deutschland gepoltert. Ein Jahr später ist die Kampfrhetorik über das Verbot türkischer Ministerauftritte passé. Manche der Differenzen zwischen Ankara und Berlin – bei Weitem aber nicht alle – sind ausgeräumt.
Çavuşoğlu, dem türkischen Außenminister, fließen bei seinem Treffen mit Sigmar Gabriel in Berlin zur Eröffnung der Reisemesse ITB Honig und Höflichkeitsfloskeln über die Lippen. „Es wäre meine persönliche Bitte an meinen Freund, Herrn Sigmar Gabriel, die Reisehinweise noch einmal zu überarbeiten.“ Wegen des anhaltenden Ausnahmezustands in der Türkei hat die Regierung in Berlin das Land zwischen Orient und Okzident gleichsam auf eine Vorwarnstufe gestellt.
Der deutsche Noch-Außenminister, in erster Ehe mit einer Deutschtürkin verheiratet gewesen, lässt die Anfrage seines Kollegen elegant abperlen. Er sei sich sicher, dass die Türkei den Notstand irgendwann aufheben werde und sich das bilaterale Problem von allein löse. Im Übrigen sei er der Meinung, dass die Türkei eines der „schönsten Länder der Erde“ sei.
Bei der ITB, einer der wichtigsten Reisemessen der Welt, stellt die Türkei die meisten Anbieter. Nach einem Einbruch im vergangenen Jahr ist die Türkei dabei, sich wieder als einer der europäischen Topdestinationen zu etablieren. Das Buchungsniveau sei beinahe wieder auf dem Stand von 2016, der Zeit vor dem Putsch, heißt es.
Haftbefehl für Kurdenpolitiker
Çavuşoğlu versuchte sein Glück indessen mit einem weiteren Begehr: der Auslieferung des syrischen Kurdenpolitikers Salih Muslim, den die Türkei wegen angeblicher Nähe zur verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) als „Terrorist“ einstuft. Trotz eines türkischen Haftbefehls haben die tschechischen Behörden den 65-Jährigen Ende Februar in Prag laufen lassen. Eine Teilnahme Muslims an einer Demonstration in Berlin blieb seither ohne Folgen. Er werde den Haftbefehl überprüfen lassen, entgegnete Gabriel so diplomatisch wie vage.
Es war die bereits dritte Begegnung der beiden Minister innerhalb von zwei Monaten. Am Dreikönigstag brach Gabriel das Eis, als er Çavuşoğlu in sein Haus im niedersächsischen Goslar einlud und ihm formvollendet Tee aus einer eigens gekauften türkischen Kanne kredenzte. Der türkische Außenminister schwärmte hinterher von der Gastfreundschaft Gabriels, der ihm zudem die Kaiserpfalz in seiner Heimat zeigte.
Das zweite Gespräch bei der Münchner Sicherheitskonferenz stand schon unter entspannten Vorzeichen, hatte Ankara doch kurz zuvor den deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel nach 366 Tagen aus der Haft entlassen – ein Coup der Geheimdiplomatie Gabriels, der sich in Rom und Istanbul zwei Mal mit Recep Tayyip Erdoğan getroffen und überdies Ex-Kanzler Gerhard Schröder in die Vermittlungen eingeschaltet hatte.
Für Sigmar Gabriel war dies womöglich einer der letzten Auftritte als Außenminister. Der Abgang des populärsten deutschen Ministers gilt in SPD-Kreisen als so gut wie fix. Der frühere SPD-Chef hat sich mit zu vielen prominenten Parteifreunden überworfen, allen voran mit der designierten Parteichefin, Andrea Nahles. Dabei hat sich Gabriel bis zuletzt für die GroKo, die Große Koalition, in die Redeschlacht geworfen.
Als heißester Nachfolgekandidat an der Berliner Gerüchtebörse wird derzeit Justizminister Heiko Maas gehandelt. Die Entscheidung fällt in diesen Tagen, am kommenden Mittwoch soll die Angelobung der Regierung Merkel IV stattfinden.
Çavuşoğlu wird indessen am Donnerstag nach Wien reisen. Bei ihrer Visite in Istanbul vor sechs Wochen sprach Außenministerin Karin Kneissl eine Gegeneinladung nach Wien aus. „Es ist besser, miteinander zu sprechen als übereinander“, lautet ihr Motto. Çavuşoğlu wird in Wien die Eröffnung des Yunus-Emre-Instituts, eines Kulturinstituts, vornehmen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2018)