Der designierte deutsche Gesundheitsminister profiliert sich mit Aussagen über Armut. Das konservative Unions-Aushängeschild will sich der Koalitionslinie nicht immer beugen.
Dass er es sein würde, der als erster der neuen deutschen (designierten) Minister Widerspruch erntet, ist keine große Überraschung. Jens Spahn (CDU) soll Gesundheitsminister werden. Mit seinen Bemerkungen über Hartz-IV, der niedrigsten Stufe der deutschen Sozialhilfe, löste der aufstrebende Vertreter des konservativen Unions-Flügels herbe Kritik aus. "Reicht Hartz IV zum Leben?" war die Frage der Funke Mediengruppe. Spahns Antwort: "Die gesetzliche Grundsicherung wird mit großem Aufwand genau bemessen und regelmäßig angepasst. Hartz IV bedeutet nicht Armut, sondern ist die Antwort unserer Solidargemeinschaft auf Armut. Diese Grundsicherung ist aktive Armutsbekämpfung! Damit hat jeder das, was er zum Leben braucht. Mehr wäre immer besser. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass andere über ihre Steuern diese Leistungen bezahlen."
Von der Antwort Spahns blieb vor allem der Teil "Hartz IV bedeutet nicht Armut" hängen, was die Debatte anfeuerte. Für den designierten Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) eine Steilvorlage für eine erste Positionierung: "Unser Land braucht keine hartherzigen Statistikdebatten, sondern sozialen Zusammenhalt", sagte der Heil am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. Menschen, die am Existenzminimum lebten, bräuchten konkrete Lebenschancen. "Genau dafür werde ich sorgen: für einen Sozialstaat, auf den sich Menschen gerade auch in Zeiten des Wandels verlassen können."
Zuvor hatten bereits die Generalsekretäre von SPD und CDU darauf verwiesen, dass man im Koalitionsvertrag beschlossen habe, die Situation von Hartz-IV-Beziehern zu verbessern. "Spahn hat bei den Koalitionsverhandlungen nicht genug aufgepasst", sagte Lars Klingbeil (SPD) im ZDF-Morgenmagazin. Es sei dort ein Paket gegen Kinder- und Altersarmut verabredet worden. Spahn hatte gesagt, "Hartz IV bedeutet nicht Armut".
Spahn habe darauf verwiesen, dass Hartz IV das Existenzminimum abdecke, betonte auch CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbaurer im ZDF. Allerdings fügte sie dann hinzu: "Ich warne immer etwas davor, wenn Menschen, die so wie er oder ich gut verdienen, versuchen zu erklären, wie man sich mit Hartz IV fühlen sollte." Die Menschen, die sie kenne, bezögen nicht freiwillig diese Grundsicherung. Im Koalitionsvertrag habe man vereinbart, etwa Eltern mit niedrigem Verdienst oder Langzeitarbeitslosen zu helfen.
Zwischen Spahn und Kramp-Karrenbauer könnte sich auch ein Duell um eine mögliche Nachfolge von Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel anbahnen. Dementsprechend unruhig könnte die neue deutsche Große Koalition werden, wenn einzelne sich parteiinern profilieren wollen. Der scheidende deutsche Innenminister Thomas de Maiziere hatte deshalb vor kurzem vor den "Ichlingen" in der Politik gewarnt. Spahn hat bereits klar gemacht, dass er sich nur begrenzt in eine Kabinettsdisziplin Merkels einbinden lassen will. Das CDU-Präsidiumsmitglied mischte sich kurzerhand in die Europadebatte ein und sprach sich wie der nationale Flügel der Union gegen die Vereinigten Staaten von Europa aus.
Und auch in der SPD ist noch nicht ganz Ruhe eingekehrt: Juso-Chef Kevin Kühnert etwa hat mit seiner neuen Popularität angekündigt, dass der Kampf gegen die "GroKo" weiter gehe.
(APA/Reuters/dpa/Red.)